Eine Sternwarte soll entstehen: 1987/88

Für den Fachgruppenleiter selbst begann eine neue Ära in seiner fotografischen Tätigkeit: Der Bau einer eigenen Sternwarte. Die Fachgruppe wusste um die Nachteile der Bürgelschule, denn durch den Dachaufbau war es kaum möglich, wirklich „großes, schweres Gerät“ zu installieren. Dieser Wunsch kam im Zuge der fotografischen Erfolge auf, und man zog einen Bau in privater Initiative in Betracht. Auf dem Privatgrundstück von Herrn Wohlrab, anstelle eines alten Schuppens, sollte die neue astronomische Stätte ins Leben gerufen werden, um die Schulsternwarte zu entlasten und sie verstärkt für Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Es wurden Besuche bei anderen DDR-Amateursternwarten durchgeführt, Zeichnungen angefertigt, Baupläne erstellt und Überlegungen zur Dimensionierung angestellt. Entstehen sollte ein zweigeschossiges Gebäude, mit einem unten liegenden Technik- und Fotoraum und der oberen, eigentlichen Beobachtungsanlage, die natürlich hauptsächlich für die Fotografie verwendet werden soll. Der Schwerpunkt lag dabei auf die Aufnahme von Kometen, um sich weiterhin an den Beobachtungsprogrammen des Kometen-Arbeitskreises der zentralen astronomischen Kommission beteiligen zu können. Ein 200/1200-Newton als Hauptgerät sollte eingesetzt werden; er wurde am 05.08. bei Michael Greßmann bestellt, der eine der Hauptquellen für Spiegeloptiken (klein, groß und sehr groß) in der DDR war. Dies sollte die fotografische Reichweite, im Vergleich zu den bisher verwendeten Teleskopen, sehr erhöhen. Schließlich waren die Pläne im August soweit ausgereift, dass man mit dem Vorhaben beginnen konnte und beschaffte erste Baumaterialien.

Ende Oktober war ein Arbeitseinsatz vonnöten. Nicht nur die Neugestaltung der Wandzeitung und eine Sternwartenreinigung wurden durchgeführt, sondern es folgte auch der Ausbau des Cassegrain-Spiegels. Es war vorgesehen, ihn zur Neubeschichtung nach Berlin zu bringen. Zwischenzeitlich hatte sich wieder ein Komet am Himmel gezeigt: C/1987 P1 Bradfield kam als helles Objekt mit langem Schweif daher und wurde natürlich in Schönebeck aufgenommen, so oft es (trotz teilweiser Bewölkung) möglich war, womit man sich am Beobachtungsprogramm des Arbeitskreises Kometen beteiligte. Für die Lokalzeitung „Volksstimme“ schrieb Herr Wohlrab einen kurzen Artikel, der über die Sichtbarkeit und die bisherige Fachgruppenarbeit informierte. Er erschien am 27.10.1987.

Wegen des Sternwarten-Umbaus führte die Fachgruppe ihre Zusammenkünfte vermehrt im Alexander-von-Humboldt-Klub durch, wo zumeist Bilder gezeigt und kleine Vorträge gehalten wurden, aber auch die organisatorischen Planungen über Exkursionen und die Sternwarte(n) mussten besprochen werden. So zeigte Herr Wohlrab am 21.10. seine neuen Schwarz-Weiß-Dias mit dem 80/840-Refraktor, die großen Anklang fanden, und am 11.12.1987 war Peter Rucks zu Gast in Schönebeck und sprach über Farbdia-Fotografie. Die obligatorische Weihnachtsfeier auf dem Bierer Berg stellte am 20.12. den Jahresabschluss dar, und man zog ein positives Fazit: „Ein Jahr großer Initiativen (…,) einen Entwicklungsweg, an den zu Beginn (…) keinesfalls zu denken war.“ Vor allem der Bau der Privatsternwarte war fortgeschritten und das Beschaffen der Arbeitsmaterialien nahm seinen Lauf.

Die Vorträge waren ein festes, beliebtes Ritual im Fachgruppenleben und gern mit anschließender Beobachtung abgerundet, wenn das Wetter dies zuließ, und dies wurde natürlich auch im neuen Jahr so fortgeführt. Am 15.01. hielten Guido David und Marco Adler ein kleines Referat über den „Sternhimmel im Winter“, woraufhin sich die Jugendlichen bei leichten Minusgraden nach draußen begaben, um dieses Thema von der praktischen Seite anzugehen. Anfang Februar konnte man zwei neue Mitglieder begrüßen, u.a. der später sehr aktive Steffen Fritsche, man baute den Cassegrain-Spiegel wieder ein und es wurde die anstehende Exkursion besprochen.

Sie fand am 14.02. statt und führte ein weiteres Mal nach Berlin. Im frühen Morgengrauen um 05:44 mit dem Zug gestartet, besuchten die 15 Teilnehmer zunächst das Sport- und Erholungszentrum – eine einmalige, sehr beliebte Einrichtung, die nicht nur Sport- und Fitnessräumlichkeiten beinhaltete, sondern auch ein Schwimmbad, Schachtreff, eine Rollschuhbahn, Bowlinganlage usw. und überdies als Austragungsort verschiedenster kultureller Ereignisse genutzt wurde. Nach der Wende zogen die Mieter nach und nach aus; das SEZ verfiel zusehends und wurde 2001 komplett geschlossen. Die Hobbyastronomen aus Schönebeck begaben sich außerdem zum neuen Zeiss-Großplanetarium, das erst ein halbes Jahr zuvor seine Pforten öffnete und mit einem Kuppeldurchmesser von 23 m eins der größten seiner Art ist.

Nur einen Tag vor der Exkursion konnte, aufgrund eines Zwischenhochs, eine windstille Nacht für weitere Aufnahmen genutzt werden. Ziel war dabei der berühmte Orionnebel M 42.

Die Fachgruppe musste die Leitung umstrukturieren, da Guido David, als technischer Leiter, am 16.03. aus dem Kulturbund austrat. Dies wurde beim Fachgruppenabend am 25.03. diskutiert. Abgesehen davon gab es wieder einen Vortrag, den Ronald Rieth über eine Kuba-Reise hielt, und man besprach die Veröffentlichungen in der „Astronomie und Raumfahrt“. Mit dem Austritt Davids geriet auch der Elektronikbau für Wohlrabs Sternwarte ins Stocken; er musste jemand Anderen damit beauftragen, doch später nahm David sein ursprüngliches Werk wieder auf.


Neue Technik erwartete die Schönebecker Fachgruppe: Ende April stellte Uwe Wohlrab die Aufnahmekassette einer im Bau befindlichen Astrokamera (110/750) vor, an der er während des gesamten Monats gearbeitet hatte, und ein Kurzvortrag über den Frühlings-Sternhimmel wurde gehalten. Um das neue Gerät zu montieren, wurde die Fernrohranlage von der Schulsternwarte geholt und auf dem Grundstück des Fachgruppenleiters aufgestellt, und diese neue Zusammenstellung musste natürlich auch ausprobiert werden. Das benachbarte Pärchen M 97 (Plan. Nebel) und M 108 (Galaxie) wurde abgelichtet. Am 20.05.1988 konnte man bei einem Treffen erste Aufnahmen damit vorzeigen. Steffen Fritsche nahm mittlerweile an vielen Beobachtungen teil und beteiligte sich an den fotografischen Versuchen, was sich in den Folgejahren auch nicht ändern sollte.

Neben dem Bau der neuen Kamera kümmerte sich Uwe Wohlrab auch um den Weiterbau der eigenen Sternwarte. Vom ehemaligen Schönebecker Sprengstoffwerk konnte er 890 Steine organisieren, und für die massive Montierung erhielt er ausrangierte Wasserrohre. Das meiste verwendete Material entstand aus Selbstbau, oder aus dem „Recyceln“ anderen Bauteilen, und so konnten die Kosten in einem überschaubaren Rahmen gehalten werden. Es lief im Allgemeinen viel über die Beziehungen und Kontakte, und der Verantwortliche der Versuchswerkstatt des Sprengstoffwerks, Otto Braun, erklärte sich bereit, die Teile für die Montierung zu fertigen. Am 23.06. konnte Wohlrab den neuen 20-cm-Spiegel (Dicke 27 mm, Gewicht 2,15 kg) von Herrn Greßmann aus Falkensee abholen. Im Preis von 1.150 Mark war auch der Fangspiegel inbegriffen; der restliche Tubus aus Hartpapier entstand im Eigenbau. Ein großer Teil der Monate Juli und August, in der offiziellen Sommerpause, wurde an der „Grundlage“ der Sternwarte gearbeitet. Hauptsächlich waren Uwe Wohlrab und sein Vater daran beteiligt, doch auch einige der Fachgruppenmitglieder halfen freiwillig aus. Mit dem Fundament begann man „offiziell“ am 07.07. Ein langer Einsatz ergab sich zwei Wochen später, als vom 22. bis 25.07. Schachtarbeiten für den Sockel durchgeführt wurden. Damit einher gingen der Abtransport der entfernten Erde, die Feststellung der exakten Nordrichtung und die Vorbereitung für das nachfolgende Betonieren. Vom 28.07. bis 01.08. dauerte die nächste Bauphase, in der es sich um die Sockelmauerung drehte, was meist mehrere Stunden am Tage in Anspruch nahm. Half anfangs auch Marcus Richert mit, konnte am nächsten Tag der 15 cm hohe Sockel-Aufsatz aufgebracht werden. Am 30.07. wurde er von Uwe Wohlrab und dessen Vater ausgerichtet und justiert, sodass am Tag darauf die Mauerung auf eine Höhe von 2 m erfolgten konnte – ein zehnstündiger Einsatz. Weitere neun Stunden, mit der Hilfe Steffen Fritsches, wurden am 01.08. verbracht, den Sockel bis 3,30 m zu errichten.


Es verging wenig Zeit, ehe die nächsten Bodenarbeiten erfolgten. Teilweise unterstützt durch Ronald Rieth, schachtete Wohlrab am 06., 07. Und 09.08. die Gräben für Fundament und Wasserleitungen aus, sodass diese am 10.08. an die zuvor gesäuberte Sickergrube angeschlossen werden konnte. Von Wolfgang Roloff kam zwischenzeitlich die Nachricht, dass das Schneckenrad für die Montierung fertiggestellt war.



Nachdem ein paar Fachgruppenmitglieder in der Nacht des Perseidenmaximums (12./13.08.) die Meteore auf dem Bierer Berg beobachten konnten und auch Aufnahmen angefertigt wurden, hatte Wohlrab am 16./17./18.08. die Möglichkeit, eine Exkursion nach Sonneberg in Eigenregie durchzuführen. Er besuchte Marcus Richert, der dort als Nachtassistent arbeitete, und neben dem großen 60-cm-Spiegel entstanden einige Astrofotos. Wieder zurück im heimischen Schönebeck, ging die Arbeit an der eigenen Sternwarte weiter und am 20.08. befestigte man eine V2A-Platte auf dem Sockel. Am 22.08. konnten die Montierungsteile aus dem Sprengstoffwerk abgeholt werden, die von Herrn Braun gefertigt wurden. Bis zum 24.08., in insgesamt 20-stündiger Arbeit an drei Tagen, schafften es die Herren Wohlrab, den Sockel zu verputzen, und weitere 18 h verbrachten sie kurze Zeit später damit, den Fußboden des unteren Raumes zu gießen und zu mauern.


Neben diesem „Großprojekt“ musste die Fachgruppe nach der Sommerpause wieder ihre eigentlichen Aufgaben übernehmen. Bei der ersten regulären Zusammenkunft am 02.09. konnte ein Neuzugang aus der fünften Klasse begrüßt werden. Die Mitglieder besprachen zudem organisatorische Angelegenheiten, bauten die neue Astrokamera auf der Schulsternwarte ein und führten Säuberungsarbeiten durch. Bald darauf konnte man das Gerät zur Fotografie verwenden und die ersten Aufnahmen im 6x6-Format entstanden. Zunächst testete man die Fokussierung, und daraufhin wurden in mehreren Nächten verschiedene Objekte aufgenommen, z.B. M 27, h&chi Persei und die Plejaden. Für diese Unternehmungen hatten sich bis zu 12 Jugendliche auf das Dach der Bürgelschule zusammengefunden. Ein weiterer Fachgruppenabend fand am 23.09. statt, zu dem Steffen Fritsche einen einstündigen Vortrag über Meteorbeobachtung vorbereitet hatte.


In dieser Zeit ging der Bau der Privatsternwarte weiter. Vom 22. bis 26.09. mauerten Uwe Wohlrab und dessen Vater die Gebäudewände, was insg. 32 h in Anspruch nahm. Anfang Oktober wurden die Löcher für die Träger gemeißelt, welche eine Woche später von vier Fachgruppenmitgliedern aufgesetzt wurden. Im weiteren Verlauf des Monats mauerten sie Träger und das Treppenpodest ein, legten Füllkörper ein, erhöhten die Mauer, führten Verschalungsarbeiten durch und gossen die Decke aus. Und zwischendurch fanden die Hobbyastronomen immer wieder Zeit, sich bei gutem Herbstwetter intensiv fotografisch zu betätigen, was die Existenz zahlreicher Aufnahmen belegt. Und auch ein Fachgruppenabend am 14.10. fand statt, bei dem Marcus Richert Dias über das Jugendlager in Apolda 1987 vorführte.

Der November begann mit einem weiteren Mitgliedertreffen. Ein Neuling fand seinen Weg in die Runde, und die Astronomen blickten auf ihre fotografischen Ergebnisse des bisher vergangenen Jahres zurück. Es wurden erstmals von Farbnegativfilmen kopierte Dias vorgestellt. Zu dem Zeitpunkt zählte die Fachgruppe 14 Mitglieder, von denen sich neun aktiv an der Arbeit beteiligten.


Am 12./13.11. ergriffen sieben Teilnehmer die Möglichkeit, eine Exkursion nach Sonneberg zu unternehmen, wofür man sich auch diesmal sehr früh am Schönebecker Bahnhof traf. Als Unterkunft hatte man das Gästehaus „Freundschaft“ ausgewählt, sodass sich eine Zweitagesfahrt realisieren ließ. Es stand somit genügend Zeit zur Verfügung, sich vom befreundeten Nachtassistenten Marcus Richert ausgiebig durch alle Einrichtungen der Sonneberger Sternwarte umherführen zu lassen. Das Thüringer Städtchen ist hauptsächlich bekannt für die Herstellung von Spielwaren – ein Besuch im Spielzeugmuseum ließ man sich ebenfalls nicht nehmen.


Es verging nur wenig Zeit nach der Rückkehr in die Heimat, bis an der Sternwarte weitergearbeitet wurde. Am 19. und 20.11. bauten einige Fachgruppenmitglieder die Treppe an und verlegten den Estrich für die Decke, wofür neun Säcke Zement verarbeitet wurden. Über mehrere Tage wurde außerdem die Verschalung am Sockel abgebaut. Obwohl die Sternwarte noch lange nicht fertiggestellt war, konnte man schon erste Rundumaufnahmen machen, zumal bei der Gelegenheit die ungeliebte Zierpflanzen-Beleuchtung nicht aktiv war. Als entspannend konnte man dagegen die Fachgruppentreffen im Humboldt-Klub ansehen: Schon bei seinem Vortrag im Vorjahr hatte man Peter Rucks dazu „verpflichtet“, wiederzukommen, was am 25.11. auch geschah. Der Sternfreund, der bei Carl Zeiss Jena arbeitete und z.T. auf professionelles Gerät zurückgreifen konnte, sprach erneut über seine Sternfeldfotografien auf Farbfilm und zeigte „brillante Dias“.


Um die Bürgel-Schulsternwarte wurde sich natürlich ebenfalls gekümmert. Am Vormittag des 11.12. gab es dort einen Arbeitseinsatz, ehe Herr Wohlrab sich später seinem eigenen Projekt widmete und die Treppe verlängerte. Der Winter schränkte die Bautätigkeiten keinesfalls ein; auch zum Jahresende führte man Mauerarbeiten an den oberen Wänden (auf eine Höhe von 1,20 m) und den Türen durch. Zwischendurch, am 18.12., fand nachmittags die Weihnachtsfeier statt, wie immer in der Gaststätte auf dem Bierer Berg – im „Jägerzimmer“, was den offiziellen Jahresausklang für die Fachgruppe darstellte.

Vom 25. bis 28.02.1988 fand im sächsischen Radebeul die 10. Zentrale Tagung der Amateurastronomie in der DDR statt. Es lag noch Schnee, als drei Mitglieder aus Schönebeck und Daniel Arndt aus Magdeburg anreisten und ihr Quartier bezogen. Tagungsort war das Klubhaus der Druckmaschinenwerker. Ein umfangreiches Vortragsprogramm für die 230 Teilnehmer war angekündigt, in dem die verschiedenen astronomischen Arbeitskreise (Kometen, Planeten, Meteore) über ihr Schaffen berichteten. Es ging ferner um außerirdisches Leben, Selbstbau im Amateurbereich, Astronomiegeschichte und Volkssternwarten des Kulturbundes. Abends hatte man die Möglichkeit, die Radebeuler Sternwarte „Adolf Diesterweg“ zu besichtigen. Diese Exkursion wurde einen Monat später, im Rahmen einer regulären Zusammenkunft, ausgewertet. Eine besondere Ehre wurde Uwe Wohlrab zuteil: Der Kulturbund hatte eine Reihe von Sternfreunden, die sich im besonderen Maße für amateurastronomische Arbeit einsetzten, für eine Auszeichnung auserkoren. Auch der Schönebecker Fachgruppenleiter war unter den 17 Auserwählten und konnte sie am Eröffnungstag entgegennehmen – Urkunde und „Ehrennadel Silber“ des Kulturbundes.

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