Es hatte sich die dritte Nacht in Folge angekündigt, in der wir auf den Gletscher fahren wollten. Es gab keine offizielle Wanderung; ich machte lediglich einen kleinen Lauf nach Bodenegg, obwohl ich eigentlich krötenbreit war. Aber Bewegung muss sein. Der Tag war wieder sehr sonnig und schön und zu schade, um ihn ungenutzt zu lassen.
Nach einem Abendessen auf der Terrasse des „Brückenwirt“ ging die Fahrt hinauf auf 2.900 m. Das Wohnmobil hatte es ebenfalls geschafft und die beiden Münchner waren bereits dabei, ihre Gerätschaften aufzustellen. Das Wetter... Puh... In Richtung Süden und Osten türmten sich einige Wolken, die sich, nach Aufsteigen des Erdschattens, seltsam weiß verfärbten. Sah natürlich irgendwie toll aus, machte uns aber Sorgen - diese Wolken waren eindeutig nicht normal. Insgesamt bildeten wir diesmal eine siebenköpfige Truppe, die die Dämmerung, wie immer, dafür nutzte, die Nacht vorzubereiten und sich zu unterhalten. Seltsame, fragwürdige Alpen-Musi drang aus Costas Auto, „so’n Endlos-Ding von YouTube“. Nachdem meine blaue Tonne stand, lief ich hinauf zum See, den ich bisher gar nicht besucht hatte, und machte Fotos und genoss die Aussicht. Ich konnte direkt auf die kleinen, spielzeugartigen Menschen blicken, die dort unten umhergingen, und leises Stimmengewirr drang nach oben. Ansonsten war es ruhig. Und als ich zurückkehrte, war auch die Volksmusi verstummt.
Die Wolken zogen ab und es herrschte Windstille. Allerdings hielt sich im Tal extrem viel Dunst und die Gipfel der Stubaier Alpen waren teilweise eingehüllt. Laut Anzeige waren es noch 10°C, doch mir kam es irgendwie kälter vor. Wieder Kondenswasser auf dem Spiegel... Eieiei, das sieht nicht so gut aus, doch es trocknete langsam weg. Während ich justierte, herrschte reger Betrieb am „Stand“ der Münchner. Ronald rief: „Costa, komm' mal her!“ – „Geht nicht, ich bin gerade in Unterhose...“ Es folgten noch sehr lustige Bemühungen, ein vernünftiges Gruppenbild zu kreieren, sodass die Zeit vor dem endgültigen Dunkelwerden gut genutzt war.
Mit Schrecken hatte ich festgestellt, dass ich in der Nacht zuvor nicht einen einzigen Offenen Haufen aufgesucht hatte! Sehr untypisch, aber das lässt sich ja nachholen. Nach kurzer Konsultation meines DSH-Ordners entschied ich mich für ein kleines Exemplar im Schild: Kronberger 25. Allein das Finden des Feldes gestaltete sich als sehr schwierig, und der Haufen war praktisch kaum sichtbar. Nur durch genaue Ortskenntnis ließ sich ein nebliger Klumpen identifizieren, der sich nicht in Einzelsterne auflösen ließ. Dass das Kondenswasser auf dem Spiegel noch nicht ganz verschwunden war, tat sein Übriges, um den Haufen äußerst „traurig“ aussehen zu lassen.
Ab etwa 21:45 Uhr bemerkten wir über dem Ramolkamm im Süden dunkle Wolken, die sich langsam auftürmten. Im Osten hielt sich nach wie vor eine dichte Dunstschicht, die durch das Streulicht Söldens hell angestrahlt wurde. Ich vertrödelte eine Weile mit der Suche nach Teutsch 18, den ich jedoch nicht finden konnte.
Patchick 32, unweit von M 11, hingegen war eine sehr schöne Überraschung und ein dankbares Objekt. Bei 200x war dieser Haufen aufgelöst in ein interessantes Muster: Ein eckiges „P“, bestehend aus knapp 10 Mitgliedern und O-W-ausgerichtet. Die hellsten von ihnen bildeten den Kopf des P.
Während der Zeichnung dröhnte das Geräusch einen tiefen Flugzeugs über uns hinweg, und Ronald rief plötzlich laut „Woah!“, woraufhin ich aufblickte und den letzten, verglühenden Rest einer Feuerkugel sah, die in die westlichen Berggipfel abtauchte. Muss extrem hell gewesen sein...
Als nächstes nahm ich mir Ling 1 vor, der in der südlichen Leierregion stand und bereits in der Übersichtsvergrößerung als eine schwache, längliche Wolke sichtbar war. Im 9-mm-Okular war er aufgelöst in etwa 8 schwache, eng stehende Sterne, die sich zur Mitte hin leicht konzentrierten. Trotzdem war der Haufen unauffällig, da er sich in einem reichen Umfeld mit hellen Feldsternen befand.
Genaue Ortkenntnisse waren auch beim nächsten Objekt gefragt: Alessi 1910+05 im Sternbild Adler. Ich sah einen recht großen, losen Ring aus schwachen Sternen, doch ein echter Haufencharakter war weniger zu erkennen. Wo sind die Grenzen? Ich zählte ca. 10 Mitglieder; das hellste von ihnen befand sich am Westende.
Gegen 23:00 Uhr begannen die Wolkentürme aus dem Süden zu uns raufzuziehen und bedeckten schon bald den gesamten Himmel. Hmmpf. Naja, kann man nix machen... Außerdem war die Luftfeuchte sehr hoch, denn die Autoscheiben waren beschlagen und Uwe war drauf und dran, den Fön zu benutzen. Irgendwie war es kalt, obwohl die Temperatur bei etwa 6°C lag. Bis etwa 23:45 Uhr pausierte ich und trank Kaffee. Ronald hatte im 20-Zöller den Kometen Lemmon-Irgendwas eingestellt, der einen langen Schweif zeigte, doch bald von den Wolken verdeckt wurde. Krisensitzung war angesagt...
Als die Decke wieder genügend aufgelockert war, öffnete Martin eine Tüte Russisch Brot und ich wandte mich einer netten Galaxienkette zu, die aus NGC 48, 49 und 51 bestand und sich in Andromeda befand. Ich war allerdings überrascht, dass sie so schwach waren. Die mittlere, NGC 49, war am einfachsten und fiel direkt auf. Rund, kein Kern, ein nur wenig helles Zentralgebiet und flankiert von zwei schwachen Vordergrundsternen. NGC 48 kam länglicher und bedeutend flauer daher. Erst nach längerem Hinsehen überhaupt erkennbar. Oval, extrem diffus und stets verschwindend. NGC 51 war die schwächste Galaxie dieses Trios, kaum sichtbar und grenzwärtig.
Nach der Auswertung muss ich leider feststellen, dass ich mit der Sichtung und der Zeichnung nicht richtig lag.
00:20 Uhr. Entlang des Horizontes lagen tiefe Wolkenbänke, doch der Rest des Himmels war wieder klar, doch die Bedingungen reichten keineswegs an die der Vornächte heran. Das SQM-L maß „nur“ einen Wert von 21,47 mag/arcsec².
Einen schwachen PN in Cassiopeia hatte ich mir auch noch herausgesucht. Abell 84 stellte sich als ein forderndes Objekt heraus, das sich nicht sofort offenbarte, doch bei 129x und OIII-Filter tauchte rings um einen Feldstern ein schwacher Schimmer auf, der leicht mit einem Hof verwechselbar wäre. Homogen und langgestreckt. Bei indirektem Sehen eindeutig, aber die genaue Form und Größe konnte ich nicht genau festmachen. Eine weitere Aufhellung westlich tauchte im Laufe der Zeichnung ebenfalls auf und schien den langgestreckten Nebel zu einer Scheibe zu ergänzen.
Gegen 00:50 Uhr wunderte sich Martin über diese „dunkle Wolke“ bei Deneb, doch es handelte sich dabei um den nördlichen Kohlensack, der sich noch schön kontrastreich aus der Milchstraße heraushob. Allerdings zogen schmierige Wolken aus dem Norden auf und ich beeilte mich mit dem Aufsuchen des nächsten Objektes. Schließlich hatte ich noch eine wichtige PN-Liste abzuarbeiten. Doch kurz vor dem Ziel ging den Sternen das Licht aus... Nein! „Ich könnt' schon wieder ausflippen“, klagte ich und ging eine Runde über den Platz.
Kurzzeitig war es wieder frei und die Suche nach NGC 7008 konnte weitergehen. Aber nicht lang. Es war nur noch möglich, in der Übersichtsvergrößerung eine große, auffällige, gebogene Scheibe und einen hellen Stern aufzuspüren, ehe es wieder zuzog... Endgültig. Ärgerlich. „Ich stehe kurz davor, die Contenance zu verlieren.“
Tja, und nun? Die beiden Münchner hatten ihre Sachen eingepackt und machten sich zur Abfahrt bereit, während der Rest noch Hoffnung hatte. Wir standen beieinander und starrten entgeistert die dunklen Wolken an. „Schicht im Schacht“ – „Aus die Maus“ – „Ende im Gelände“... Uwe zeigte einige Aufnahmen auf seinem Kameradisplay, u.a. das markante Airglow und eine wunderschöne Milchstraße hinter der Bergwelt. Bis 02:00 Uhr ging die Deadline und harrten wir aus, aber es wollte und wollte nicht mehr aufreißen, sodass wir abbauten und einpackten. Abfahrt war 02:30 Uhr... Unheimlich schade.
Ein Beobachtungsbericht von AKE
Zwieselstein, 06.09.2013