11./12.08.2013 - In memoriam of the dead Damhirsch



Schon für Freitagabend hatten wir auf eine Beobachtungsnacht spekuliert, doch mit der starken Zirrusbewölkung hatten wir nicht gerechnet, weswegen wir daheim blieben. Zu dumm, denn ich hatte mir eine Objektliste zusammengeschustert, auf die ich unheimlich neugierig war, und wegen meiner Ungeduld war das Un-Wetter kaum zu ertragen. Am nächsten Tag gaben die Wetterdienste unseres Vertrauens grünes Licht… Rausgefahren, und bis 02:00 Uhr unterm Hochnebel gestanden, dann resignierend abgehauen. Prognose für Sonntag: Klarer Himmel, jetzt aber wirklich!

Wir erreichten den Beobachtungsplatz schon in der frühen Dämmerung, kurz vor 21:00 Uhr, zufälligerweise zeitgleich mit Martin. Das Wetter war vielversprechend, nachdem wir unterwegs einen tollen Sonnenuntergang sahen, und nun schwebten die Mondsichel und die Venus über dem Buschwerk im buntgefärbten Westen. Ein paar Wolken (Martin: „Enterprise“) standen dort, waren aber harmlos; typische Horizontwolken eben. Mit 16°C war es merklich kühler als in der jüngeren Vergangenheit, was aber den Vorteil hatte, dass kaum Mücken durch die Gegend flogen und uns auf die Nerven gingen.

Herrlich! Es herrschte eine Totenstille. Was für ein Kontrast zum Vorabend, als wir jammernd unter dem Hochnebel standen, während in Hobeck Sommerfest war, von wo die besten Partylieder übers Maisfeld herunterwehten. Man hatte gekonnt den Bogen geschlagen von „Marmor, Stein und Eisen bricht“, über „Alt wie ein Baum“, „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt“, „I was made for lovin‘ you“, „T.N.T.“, „Highway to hell“ oder „Terra Titanic“, bishin zu „Ich seh den Sternenhimmel“, was wir in Anbetracht der Lage als blanken Hohn empfanden. Naja, egal, heute wird es definitiv besser!!

Die gleißend helle ISS zog während der Dämmerung sogar zweimal über den Himmel, und aus dem Wald im Südwesten drang ein lauter Schuss mit Echo zu uns. War der Jager wohl wieder zugange. Tatsächlich kam später ein Auto den Feldweg raufgefahren, der dorthin führte, hielt kurz vor der Kreuzung zu „unserem“ Weg an und blieb stehen. Nanu, was ist denn jetzt? Er telefonierte und bat seinem Gesprächspartner, morgen einen „Spieß“ mitzubringen, für den „Damhirsch“, den er gerade geschossen hat. Dann fuhr er wieder weg. Ach Gott, der arme Damhirsch. Diese Info ließ mich lange nicht mehr los. Armes Tier.

Was für ein klarer Himmel… Schon in der Dämmerung, 22:30 Uhr, war die Milchstraße zu sehen, die sich später bis in den tiefen Schützen verfolgen ließ. Es wird richtig dunkel. Man soll es nicht glauben, dass man im Flachland solche Bedingungen erreichen kann, die zwar mit den Alpen nicht mithalten können, aber dass wir, nach nur 32 Minuten Fahrt, unter einem solchen Tophimmel stehen können, ist schon bemerkenswert.


Meine Planung bestand aus denselben Objekten wie in der Vornacht. Glücklicherweise hatte ich die Karten nicht aus lauter Wut zerknüllt, sondern aufgehoben, obwohl ich den Starhop von Cr 399 bis Czernik 40 schon auswendig kannte. Ha, endlich! Was mir letztes Mal nicht vergönnt war, ging diesmal locker. Bei 129x löste sich die schwache Wolke dieses Sternhaufens, der zwischen zwei hellen Feldsternen liegt, heraus. Bei höherer Vergrößerung war er nicht ganz aufzulösen, doch mit etwas Geduld sprangen mehrere Einzelsterne ins Auge. Der Rest des dreieckig geformten Haufens war weiterhin neblig. Er wirkte reich, bestand aber aus sehr schwachen Mitgliedern. Nett!

Das nächste Objekt, das wegen seines (mir) unbekannten Namens meine Aufmerksamkeit auf sich zog, hieß Turner 9. Er stand in den dichten Feldern der Milchstraße, und beim Aufsuchen zogen zigtausend schwache Sternchen durchs Okular – allein das war fantastisch! Turner 9 jedoch stellte sich als blanke Enttäuschung heraus. Ein kleines Sterndreieck mit einem dominant hellen Mitglied an der SW-Spitze. Auch höher vergrößert machte das Ding nicht mehr her; insgesamt schätzte ich die Anzahl auf 5. Da das helle Mitglied einen leichten Hof warf, störte er die Beobachtung und täuschte einen Nebel bzw. eine unauflösbare Sternwolke hervor, doch es verbargen sich dort keine weiteren Haufenmitglieder.


Von dort aus ging die Reise zu NGC 6842. Der Quoten-PN, und ich befürchtete schon das schlimmste. Doch es war kein Problem, diese auffällige runde Scheibe zu finden. Viele Details ließen sich allerdings nicht ausmachen. Die Ränder in O und W schienen etwas diffuser und das Zentralgebiet ganz leicht heller, was aber nichts am bloßen Eindruck einer runden, homogenen Scheibe änderte.

23:10 Uhr, Blick hinauf: Aus dem Westen zogen ein paar Wolkenstreifen an, die sich aber auflösten, bevor sie den Zenit erreichten. Harmlos. Die helle, kontrastreich strukturierte Milchstraße war eine Augenweide, und da das Perseidenmaximum kurz bevorstand, schossen mehrere helle und schwache Meteore über das Firmament. Als ich das nächste Objekt eingestellt hatte, fragte Uwe, ob jemand Kaffee wollte. Ich rannte hin, holte meinen Becher und sprintete zurück. Eile war gefragt, denn gerade marschierte ein Wolkenstreifen aufs Füchschen zu.


Turner 8 war in der Übersicht schon auffällig und stellte sich bei 129x als sehr nette Überraschung heraus. Eine kleine, gerade Kette aus vier helleren Sternen, und östlich davon waren weitere, schwächere Mitglieder zu erkennen. Geformt wie ein „P“. Ich schätzte die Anzahl auf 9 bis 10. Den kleinen Nebel GM 3-10, den man auf dem DSS-Bild sieht, konnte ich nicht erkennen, doch das liegt sicher im Berreich des Machbaren. Dann ging dem Haufen das Licht aus… Wolken!


Und zwar viele Wolken. Aus dem Westen kam eine ganze Wand an. Na klasse. Ich schleppte meine Picknickdecke in die Fotografen-Ecke, lag dort herum und sah zu, wie dieser wundervolle, schöne Sommerhimmel von der Suppe verschandelt wurde. Das darf doch nicht wahr sein! Auch Martin und Uwe waren bald handlungsunfähig; wir saßen zusammen und hielten Krisensitzung. Uwe klagte darüber, dass er den Kometen Shoemaker-irgendwas aufnehmen wollte, neben dem der lustige Asteroid (85773) Gutbezahl herflog. Doch leider ließen es die Wolken nicht zu.

Der Super-GAU folgte zugleich. „Habe ich gerade einen Tropfen abbekommen?“, fragte ich. Antwort: „Ja.“ Es fing an zu regnen! Als wäre eine Bombe hochgegangen, stoben wir in alle Richtungen auseinander, um unsere Gerätschaften vor dem Wasser zu schützen. Panisch baute ich den schweren Hut ab, wo noch Okular und Sucher dranhingen, schmiss die kostbare Literatur in den Fußraum vom Beifahrersitz und warf die Picknickdecke über die Spiegelkiste, die noch auf dem Rasen stand. Währenddessen schallten die wütenden Flüche dreier Hobbyastronomen über den Acker, die ob dieser Überraschung ziemlich verstört waren. Das hatte der Wetterbericht aber nicht angekündigt – im Gegenteil, es sollte doch richtig schön werden! Martin und Uwe hatten ebenfalls schnell ihr Zeug zusammengekramt, und dann standen wir unter dem schützenden Dach des Berlingos (ein Alpen-Deja-Vu kam auf), in der Hoffnung, es könnte sich vielleicht noch etwas tun. Irgendwann hatte der Regen aufgehört, und im Norden taten sich Lücken auf, die zwar größer wurden, aber nicht mit Beständigkeit gesegnet waren. Das Licht Magdeburgs wurde von den tiefen Wolken hell gestreut. Furchtbarer Anblick. Nee, das sah nicht gut aus… Und gegen 00:30 Uhr brachen wir wieder in die Heimat auf, wo sich, dort angekommen, das Sommerdreieck wieder in voller Pracht zeigte. Na klasse.

 



Ein Beobachtungsbericht von AKE

Schönebeck, 12.08.2013

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