Nach einer Reihe eigenartiger Träume holte mich mein Wecker um 00:50 Uhr aus dem Schlaf. Obwohl müde und verwirrt, warf ich pflichtbewusst einen Blick auf die aktuellen Bilder der Webcam, die oben am Rettenbach steht. Alles bewölkt, aber die komplette Bergwelt war pink eingefärbt. Ja Scheiße. Das war Polarlicht. Schlagartig war ich wach, stolperte konfus über jede Stufe in der Ferienwohnung und zog mir warme Sachen an, während das Wasser für den Kaffee kochte. Und dann schleunigst ab ins Auto und hoch Richtung Gletscherstraße.
Nachdem es am Vortag stundenlang stark geregnet hatte, frohlockte Kachelmann mit eventuell auflockerndem Wetter in der Nacht. Die zweite Nachthälfte hatte ich im Blick, deswegen kam ein Gefechtseinsatz nicht so überraschend, aber Polarlichter standen auf der potentiellen Beobachtungsliste relativ weit unten. Aber man nimmt, was man kriegen kann. Aurora borealis im Ötztal, das kommt auch nicht alle Tage vor. Da der Skibetrieb schon im Anlaufen war und nachts bei voller Festtagsbeleuchtung Pisten präpariert werden wollten, fielen die beiden Gletscherstandorte aus. Zu hell, zu viel Betrieb. Alternativplätze für stinknormales Deep Sky hatte ich auf Lager, aber was macht man bei Polarlichtern? Ich stellte mich an eine Parkbucht mit direkter Sicht auf die Mautstation und gutem Blick nach Norden. Reicht aus. Eine Rundumleuchte war irgendwo neben der Gletscherstraße zu sehen, mehrere Lampen tauchten hier und da an den Berghängen auf.
Wolken über mir. Aber die waren dunkelrot. Der ganze Himmel war dunkelrot. Eigenartiger Anblick. Nicht zu vergleichen mit der Polarlicht-Show im Mai – da wusste man, was abging, weil der Himmel klar war. Aber jetzt geschah das große Spektakel hinter den Wolken, die aber trotzdem wie ein gigantischer Projektionsschirm das rote Licht nach unten warfen. Es sah aus, als würde es irgendwo auf großer Fläche brennen. Unheimlich.
Kaffeetrinkend saß ich im Auto und beobachtete diese seltsamen Geschehnisse. Kachelmann, mein Wettergott, sorgte dafür, dass die Wolken zeitweise aufbrachen und die Sicht auf ein paar Sterne freigaben; diese Lücken waren aber leider nicht von langer Dauer. Es genügte jedoch, um ein paar satte, magentafarbene Glühwolken auf der Kamera zu erhaschen. Visuell war wenig davon zu erkennen, abgesehen von dem beschriebenen roten Glow überall.
Die schneebedeckten Berge auf der Rettenbach-Webcam wechselten ihre Farbe allmählich wieder von rosa auf weißgrau, was so auch auf meinen Handyfotos geschah. Die Aktivität nahm also ab. Grund genug, meinen Kurzausflug gegen Vier Uhr zu beenden und in die Unterkunft zurückzudüsen, zumal ein leichter Schneeniesel eingesetzt hatte. In Zwieselstein leuchtete es nochmals ein wenig pink auf, was aber leider wegen der schnelllebigen, tiefen Wolken nicht lange mitzuverfolgen war.