12./13.07.2013 - ‘N Haufen schöner Haufen – und ein PN



Ob es dergleichen schon einmal gab? Eine ganze Woche lang wolkenlose Nächte. Die Neumond-Phase im Juli scheint das rauszureißen, was uns im Winter ewig verwehrt blieb. Und da ENDLICH Wochenende war, machten wir erneut ein Treffen aus: „Ich weiß, ich wiederhole mich, aber… heut‘ Nacht wird’s klar.“


Auf dem Hinweg hielten sich hartnäckige Wolken am stetig dunkler werdenden Himmel, aber da wir unverbesserliche Optimisten sind, wussten wir natürlich: „Löst sich alles auf.“ Nach einem längeren Stopp in Leitzkau, wo wir versuchten, die beleuchteten Bauten des Brockens zu sichten (Misserfolg), erreichten wir den Beobachtungsplatz. Thomas war schon da. Und die Mücken ebenso, doch das hielt sich glücklicherweise in Grenzen. Es war ein schöner, lauer Juliabend mit 17°C. Über uns: Wechselnde Bewölkung, die aus dem Norden hereinzog. Kann sich das Wetter nicht entscheiden?


Wir plauderten ein Weilchen, bis plötzlich die hektische Wuselei begann, weil der (für Fotoausrüstung notwendige) Polarstern zu sehen war. Und ich baute dann auch mal auf. Eine kleine „Reparatur“ am Hut war notwendig, weil die Streben des Fangspiegels verdächtig locker waren, was sich in der Justierstabilität niederschlug. Dies konnte allerdings schnell behoben werden. Und das musterhafte Bild, welches ein korrekt justiertes Teleskop im Justierlaser anzeigt, ist das schönste, was man sich während der Dämmerung anschauen kann. Meine eigentlichen Ziele waren klar: Offene Haufen in Herkules, Adler und Schlange. Der Drucker wurde gequält bis zum Get-No.


Da aber keine dieser „areas of interest“ von den Wolken freigegeben wurde, ging ich den Anderen noch ein wenig auf die Nerven. Uwe freute sich, dass er das (sehr banale) Problem bei seinen neulichen misserfolgten GoTo-Versuchen finden konnte und hatte M 52 angesteuert, weil irgendein Komet dort herumflog. Ja, der Osthimmel war frei. Warum also nicht wieder in der Cassiopeia umherschauen? Genug Karten für diese Region hatte ich ja…


Und so steuerte ich Karhula 3 an, der direkt neben NGC 559 liegt. Beide Objekte ließen sich im selben Gesichtsfeld betrachten, hätten unterschiedlicher aber kaum sein können. Während sich NGC 559 - wie es sich für einen waschechten OS gehört – als eine auffällige, reiche Verdichtung mit einigen schwachen Sternen zeigte, war Karhula 3 hingegen nur ein loses Grüppchen bar jeden Haufencharakters. Vier Mitglieder bildeten das „Grundgerüst“ eines Mercedes-Sterns nach; das Hellste des Objektes befand sich genau im Zentrum und dominierte sogar das gesamte Gesichtsfeld! Zu dieser Gemeinschaft zählte ich insgesamt etwa acht Sterne, die optisch aber kaum zusammenhingen. Sehr langweiliges Ding; nur die Nähe zu NGC 559 macht das Aufsuchen lohnenswert.


Zu einer Zeichnung kam es nicht, da ich nach einer 180°-Wende feststellte, dass sich endlich der Herkules zeigte! Ich hatte einen Ohrwurm von Midnight Oil: „Here comes the Hercules…“ Machen wir also dort weiter. Als Startobjekt musste Leiter 6 herhalten. Dieses kleine, aber feine Objekt mit dem Spitznamen „Herkules-Box“ hatte als Besonderheit, dass er nur knapp nördlich vom Kugelsternhaufen NGC 6229 stand. „Hey hey hey, ich steh‘ so hoch auf der Leiter…“ Bei nicht allzu hoher Vergrößerung waren sie schön in einem Gesichtsfeld vereint. Doch um Leiter 6 genauer zu ergründen, muss man näher ran, denn es ist ein markantes, winziges, enges Grüppchen in einem sternarmen Umfeld. Es ist aufzulösen in sechs ungleichhelle Sterne, die angeordnet waren wie eine Tackerklammer. Oder auch wie eine Box. Die Herkules-Box. Drolliges Ding!

Es folgte Teutsch 1657+25. Es ist ein großer, loser Haufen, geformt wie ein langer, schräger Kasten. Die Übersichtsvergrößerung war am besten geeignet, um das Objekt zu beobachten; mehr macht bei dieser Ausdehnung keinen Sinn. Die Grenzen waren mal wieder nicht ganz eindeutig – welche Sterne gehören dazu, welche nicht mehr? Das hellste Mitglied befand sich an der Nordspitze des Vierecks. Die Gesamtzahl schätzte ich auf 25-30; viele Helligkeitsabstufungen. Schöner Anblick.

01:10, sagte die Uhr, und ich hatte mittlerweile ziemlich Knast bekommen. Da ich aber, abgesehen von Pfefferminzkaugummi, kein Proviant dabei hatte, musste ich mit schönem, heißen Kaffee Vorlieb nehmen, der mir beim Transport über die Hand schwapperte. Autschhh. Toller Himmel heute! Langsam merkt man die wieder zunehmende Dunkelheit. Vor allem im Zenit zeigte sich die Milchstraße hell und flockig, doch gen Horizont ging ihr die Luft aus und die Sterne des Schützen waren nur schwach sichtbar. Eine gemittelte SQM-L-Messung ergab 21,1 mag/arcsec². Thomas schaute kurz durchs Okular, da Teutsch 1657+25 noch eingestellt war, konnte ihm aber scheinbar nicht viel abgewinnen. "Was hastn grad drin?" - "Ähhh..." - "Schwer zu sagen, oder?" - "Ähm, Teutsch 16..." - "Ah, okay, alles klar."


Nach der kurzen Kaffeepause stand Patchick 28 auf der Liste, aber beim Aufsuchen kam ich ewig nicht zu Potte und musste mehrmals ansetzen, ehe die Zielregion gefunden war. Es hat sich aber absolut gelohnt! Zunächst zeigte sich lediglich ein zarter, länglicher, nebliger Schleier an einem Vordergrundstern, der sich bei 129x jedoch in ca. 9 oder 10 schwache Einzelsterne auflöste. Geil! Sie formten ein sehr spitzes Dreieck, in dessen Zentrum der dominante Vordergrundstern stand. Super Haufen, so müssen die Teile aussehen.

Der kurze Durchhänger war überwunden und ich bewegte mich aus dem Herkules heraus. Ich konnte mich zwischen den beiden nächsten möglichen Objekten nicht entscheiden. Adler oder Schlange? Pärchen oder Obskurität? Ich entschied mich für ersteres, weil ich dieses Ziel sehr spannend und interessant fand. Angeregt durch eine kurze Diskussion in einem Forum, wo es eigentlich um einen Carbonstern ging, schaute ich, was sich beim PN NGC 6751 so alles tummelt. Ah, schau schau, ein DSH-Haufen steht ca. 3‘ südlich von ihm! Solche Deep-Sky-Pärchen sind natürlich immer sehr reizvoll, auch wenn mich der PN nun nicht unbedingt lockt… No, egal. Bei 129x waren beide Objekte im Gesichtsfeld, eine schöne Konstellation in sternreicher Umgebung. Pothier 19 (das ist der OS) zeigte sich dabei eine spitz-längliche, enge, nicht allzu auffällige Klumpung einiger schwächerer Sternchen. Nach all den schönen Offenen Haufen dann auch noch NGC 6751 zu beobachten, war eine Zumutung ohnegleichen!! Eine kleine, kreisrunde Scheibe, die im Inneren leicht dunkler wirkte als an den Rändern. Unmittelbar östlich von ihm war ein Feldstern zu erkennen. Beim Umherschwenken fiel mir auch der Carbonstern ins Auge.

Anhand des abnehmenden Mückensummens wusste man: Langsam geht die dunkle Phase der Nacht auf ihr Ende zu, und die To-Do-Liste für heute war noch nicht abgearbeitet. Es folgte nun die bereits angesprochene Obskurität in der Schlange, Riddle 2. Bei 56x tauchte ein ganz winziges, grenzwertiges Wölkchen in sternarmem Milieu auf, das keine Details zeigte. Erst ab 129x löste sich dieses Gebilde auf, in – sage und schreibe – vier Sterne. Ja, es handelte sich bei Riddle 2 um ein kleines, nahezu quadratisches Viereck. Ein unglaubliches, hochgradig unspektakuläres Teil; ich wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Amüsiert war ich auf jeden Fall. Ich bat Uwe, sich mal diesen Superhaufen anzusehen und wir lachten uns kaputt.

02:30 Uhr. Ich war überrascht, wie weit der Herkules schon in den Westen gewandert war. Auf der anderen Seite des Firmaments, wo der Perseus vollständig über dem Horizont schwebte, machte sich die Morgendämmerung schon bemerkbar. Wir konnten aus der Ferne dumpfe Bässe und wummernde Musik hören. Schöner war jedoch das Geräusch, wenn der schwache Wind durch das Weizenfeld und die Gebüsche strich, und die ersten Zwitschertöne der ornithologischen Frühaufsteher.


Ein einziges Objekt war noch offen, und das wollte ich noch erledigen: Teutsch 1805+21, für den es noch einmal zurück in den Herkules ging. Die Position war bereits im Sucher sofort zu erkennen und im 32-mm-Okular zeigte sich ein sehr schöner, „mittelgroßer“ Haufen mit vielen hellen und schwachen Sternen. Die hellsten Mitglieder formten eine trapezartige Figur; zwei dieser Sterne zeigten sogar eine leichte, orangeweiße Färbung. Ein toller „Rausschmeißer“.

Jo, hammwers also. Der gesamte Himmel war in ein mattes Dunkelblau getaucht und die Milchstraße verblasste. Am Südosthorizont wurde eine tiefe, sehr dunkle, verschlierte Wolkenbank sichtbar, aber ansonsten war es komplett klar. Über den beiden Bäumen, die am Anfang des Feldweges standen, schwebten bereits die Plejaden – tja, der Winter ist auch nicht mehr fern. Unter dem obligatorischen musikalischen Ausklang durch Pink Floyd baute ich in aller Ruhe den Dobson ab, ordnete meine Sachen und lungerte bei den beiden Mitbeobachtern rum, als ich fertig war. Sie waren sehr fleißig gewesen, was die Fotografie der aktuellen Kometen angeht, und sprachen über ihre Ergebnisse. War für jeden von uns eine rundum gelungene Nacht. Etwa 03:15 Uhr war Abflug zurück in die Heimat, wo noch alles friedlich schlief.




Ein Beobachtungsbericht von AKE

Magdeburg, 13.07.2013

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