Das Teleskop stand noch von der Mond-/Jupitersession am Vorabend draußen auf der Terrasse, sodass alles schon einsatzbereit war, als ich um 02:00 Uhr morgens mit Kaffeetasse im Jumbo-Format ins Freie stolperte. Zuerst die Enttäuschung: Der Himmel sah reichlich abschreckend aus, aber sobald die Synapsen in die Gänge kamen, dämmerte mir, dass das – abseits vom Standort mitten im Dorf – einen triftigen Grund hatte: Der Mond stand noch im Westen, und dank hoher Deklinationswerte sollte es auch eine ganze Weile dauern, ehe er untergehen würde. Viel Zeit stand mir nicht zur Verfügung; lediglich bis 04:00 Uhr freie Bahn.
Was mich am meisten interessierte: Der Doppelstern 44 Bootis. Ich hoffte auf eine Lücke in der ansonsten sehr unruhigen Luft, die es erlaubte, die beiden Hauptkomponenten zumindest ansatzweise länglich zu erkennen, aber da war rein gar nichts zu machen. Das Seeing verschmierte den Lichtfleck in alle möglichen Richtungen. Stellenweise erschien mir das Gebilde in der Ost/West-Achse verzogen, doch das werte ich klar als negativ, da nicht verlässlich reproduzierbar. Immerhin, in den kommenden Jahren wird die Trennung leichter – Geduld ist gefragt, ganz gewiss nicht meine Stärke. Und wenn A-B schon schwer zu separieren sind, ist die Tatsache, dass die Sterne von B und C wiederum physisch derart eng zusammenstehen, dass ihre jeweiligen Atmosphären einander berühren, kaum mehr vorstellbar. Spannendes Objekt. Herschel hatte es seinerzeit geschafft, 44 Boo als Testobjekt für seine Optik zu nutzen, aber damals war die Lücke zwischen A und B noch größer.
Kühl, aber angenehm, und windstill. Der Kaffee heizte mich auf. In Übersichtsvergrößerung zeigten sich Σ 1821 und ΣI 26 als weites, sehr helles Doppel-Doppel gemeinsam in einem Gesichtsfeld. Ich erwartete ein bisschen Farbe bei höherer Vergrößerung, wurde aber enttäuscht. 1821 stand enger beisammen, war aber völlig easy und bequem zu trennen. A weiß und B blassgelb. 26 wartete mit einem höheren Helligkeitskontrast auf, war aber ähnlich öde. A weiß und B mit etwas Phantasie vielleicht etwas orange, aber kaum der Rede wert. Kein Hingucker, alle beide nicht.
Etwas spannender war Σ 1863, der sich bei höherer Vergrößerung gerade so noch trennen ließ. Das allein war es aber nicht, was mich dorthin zog, sondern die Galaxie NGC 5707, die gleich daneben steht. Überraschend einfach sichtbar als langgestreckter, spitz auslaufender Nebel. Bei 200x unruhig wirkend, beinahe klumpig. Ein Vordergrundstern nahe des hellen Zentrums oder sowas? Das Seeing machte es nicht einfach, irgendwas Greifbares zu erkennen; auch der Doppelstern backte immer wieder zusammen und blieb nicht dauerhaft getrennt. Die Begleitgalaxie nördlich blieb verborgen.
Je tiefer der Mond sank, desto besser wurde der Himmel, wenn man von „besser“ überhaupt sprechen kann. Naja, zuhause im Dorf ist es immer suboptimal, aber die Nähe zur Kaffeemaschine (Luftlinie 6m) lässt mich gnädig über viele Nachteile hinwegsehen. Es war 02:45 Uhr und mit dem nervigen, hartnäckigen Lied der Quack-Quack-Ente im Kopf peilte ich zu NGC 5930, deren Objektlabel im isDSA mit dem von NGC 5929 deckungsgleich war. Bei 140 und 200x war ein diffuses Nebelchen unkompliziert zu erkennen. Rund, kaum heller im Zentrum, relativ homogen. Ein zweites Objekt war weit und breit nicht auszumachen. Höher als 200x traute ich mich kaum zu vergrößern, aber es lohnte sich dann doch: Die große diffuse Wolke zerfiel bei 380x plötzlich völlig easy in zwei enge Nebelklumpen. Der zweite, der zunächst verborgen blieb, war also NGC 5929: kleiner, kompakter und flächenheller im Zentralgebiet. Und plötzlich gefiel mir dieses Duo, das sich auch räumlich direkt nahesteht und interagiert, dann doch ganz gut.
Neben einem 6,1mag hellen, orange leuchtenden Feldstern tauchte NGC 5899 auf. Groß, oval, mit hellem Kernbereich. Mit im Gesichtsfeld schimmerte auch die schwächere NGC 5893 heraus, auf der anderen Seite des Sterns.
Kurze Stippvisite bei U und S CrB, die allerdings nur komplett unauffällige, weißliche Sterne waren. Dann zu NGC 5629: Eine helle Galaxie in der Nähe eines ebenfalls hellen, orangefarbenen Sterns. Rundlich, mit einem kräftig abgesetzten Zentralgebiet; Notiz bei 200x: „recht kompakt geknäult“. Westlich von ihr taucht ein zweites, kleineres Nebelbüschel auf, IC 1017; deutlich einfacher als IC 1019, die als einzige Begleitgalaxie dieser größeren Gruppe im isDSA verzeichnet ist und nur als ein müdes Tüpfelchen erschien.
Ein paar Wölkchen kamen aus dem Westen herangeschlichen und zogen lückig über den Himmel. Es wurde spürbar kälter; gemäß Wetterstation rutschte die Temperatur knapp unter die Frostgrenze. Im Osten standen Vega und Deneb unübersehbar überm Horizont. Bald sollte Atair noch hinzustoßen und das Sommerdreieck komplettieren. Sommerdreieck im Februar… Da kamen so einige schöne Erinnerungen an meine astropraktische Anfangszeit bzw. Beobachtungsnächte vor über 18 Jahren auf, die zum Glück noch sehr lebendig sind.
Nach der kurzen, notwendigen Unterbrechung um 04:00 Uhr peilte ich noch ein paar olle Doppelsterne an, die aber allesamt nicht gerade mitreißend daherkamen: Σ 2032 mit zwei weißlichen Komponenten und HV 38, der zwar einen größeren Helligkeitskontrast zeigte, aber ebenfalls blass blieb. M 13 zum Abschluss, der war nochmal schön, zugegeben! Und damit war die einzige Lücke, die der Februar wolken-, mond- und organisationstechnisch bot, schon wieder vorbei, und die nächsten Tage war wieder nur grauer Regen und/oder praller Mondschein angesagt.