07./08.05.2011 - Galaxien im Akkord

Am schönsten ist es doch, wenn man am Wochenende eine Beobachtungsnacht planen kann. Außerdem mag ich den Mai, mit seinen lauen Temperaturen und dem reich gefüllten Galaxientablett, das der Himmel meinem Zehnzöller darbietet. Nachdem wir zwei Wochen zuvor schon eine super „Session“ hatten, die aber natürlich viiiel zu kurz war, freuten wir uns auf die nächste Möglichkeit zum Feldeinsatz.

Und so flogen wir zu viert gegen 21:00 Uhr auf dem Jägerplatz ein, wo uns sofort die Einsamkeit empfing. Die zunehmende, schmale Mondsicher stand hoch im Westen, oberhalb einer suppigen Wolkenbank. Es war ein bisschen zirrig dort, aber wer schaut schon nach Westen? Eine schöne Dämmerung neigte sich dem Ende zu.

Obwohl Martin schon seine Schapka auf dem Kopf trug, war es noch mild. Er filmte die Gegend und den Aufbau. Ja, Aufbau… Tonne aus dem Auto gehoben, rein in die Rockerbox, Sucher drangeschraubt – feddich. Wenn das so schnell geht, muss man etwas gegen die Langeweile tun. Noch durch den Mond „behindert“ vertrödelte ich die Zeit mit fotografieren und Objektplanung. Irgendwann lag ich nur auf dem Boden und wartete auf die Dunkelheit, während sich über mir die Sterne langsam vorwärts quälten.

Der frühsommerliche Himmel kam, trotz der noch leichten Schleierbewölkung, immer mehr zum Vorschein. Es war mittlerweile schon 22:50 Uhr. Als erstes, einfaches Ziel hatte ich mich für Steph 1 entschieden, einem großen und lockeren Offenen Sternhaufen rings um Delta 1 und 2 Lyr. Beide bilden einen schönen Farbkontrast; Delta 2 kommt bläulich daher, der andere orange. Um ihn herum gruppieren sich ein paar wenige (ca. 10), aber relativ helle Sterne. Nördlich der Verbindungslinie der beiden Deltas bilden die Mitglieder eine leere Speerspitze. Im 26er gefiel mir der Anblick sehr, obwohl der Haufen recht arm ist.

So, es war 23:15 Uhr. Der Himmel wurde stetig besser, da die Zirren abmarschierten. Ich hatte meinen kleinen Taschenofen in Betrieb – es roch wie an einer Tankstelle, aber Hauptsache die Fingerchen bleiben warm. Während Martin mit seiner Ausrüstung kämpfte, stand ich mit Uwe und Thomas beisammen, trank Kaffee und aß Toast, bevor es mit dem Masterplan weiterging.

Trümpler 37 befindet sich in einer recht „chaotischen“ Region im südlichen Kepheus und wird vom Emissionsnebel IC 1396 umgeben, wo der berühmte „elephant trunk“ zu finden ist. Doch von dem Nebelgedöns konnte ich im Zehnzöller nichts entdecken, aber Sternhaufen sind mir ja sowieso viel lieber. Also, Tr 37 war ein riesiger Cluster mit vielen hellen Mitgliedern, dessen Grenzen jedoch nicht eindeutig festzumachen waren. Sehr verstreut und lose. Das hellste Mitglied, scheinbar ein Doppelstern, befand sich im Zentrum. Von ihm gingen vier Sternketten aus, die dem Objekt ein spinnenförmiges Aussehen verliehen. Es war einfach aufzulösen, doch ans Zählen traute ich mich nicht heran, denn es war sehr reich.


Gut 4° westlich dieses Komplexes suchte ich nun NGC 7235 auf, ein weiterer auffälliger Offener Haufen mit rundlicher Form. Die drei hellsten Mitglieder bildeten ein markantes, spitzwinkliges Dreieck. Das Objekt war aufgelöst, doch bei indirektem Sehen schien es noch in einem Nebelschleier verhüllt zu sein. Im 20mm-Okular zählte ich ca. 15 Sterne. Die aus ihnen gebildeten Ketten ergaben die Form eines Cocktailglases, die mir gefiel. Thomas kam kurz vorbei und wagte einen Blick durchs Okular.


Es war nun nach 00:00 Uhr und der achte Tag des Mai war offiziell angebrochen. Der Mond sollte schon bald unterm Horizont verschwinden, sodass es endlich richtig duster wurde, doch das Seeing war nicht sehr berauschend und ließ die hellen Sterne stark flimmern. Uwe lichtete mit seiner analogen Kamera ein besonderes Schmankerl ab: Die 120 km entfernten Bauten auf dem Brockengipfel! Sie schienen links vom Frohser Funkturm (bei Schönebeck) in der Luft zu schweben. Thomas hatte bereits seinen Dobson eingeladen und brach gen Zivilisation auf, und ich widmete mich dem Plan der Nacht: Galaxienrausch!

Ich tauchte ein in den Virgohaufen und nutzte M 87 für den Starhop zu NGC 4473, die sich ein knappes Grad nördlich von ihr befand. Zitat aus dem Buch: „Was für ein Gewusel!“ Im 32er Übersichtsokular tauchte der auffällige Nebel mit vielen anderen Galaxien im Gesichtsfeld auf. Es zeigte sich eine ovale Form mit hellem Zentrum und einem blickweise stellarem, nicht allzu hellen Kern. Sie grenze sich gut vom Hintergrund ab. Die Vergrößerung ging auf 63x, was am detailarmen Anblick jedoch nicht viel änderte. NGC 4473 war O-W-ausgerichtet mit einem Achsenverhältnis von 1:2. Eine dieser typisch öden elliptischen Galaxien…


Gleich daneben, nur 12‘ nördlich, prangte die etwa gleichhelle NGC 4477, die einen runderen und „weiteren“ Eindruck machte als die Vorgängerin. Uwe warf zwischendurch ebenfalls einen Blick darauf und sah sicherlich auch den stellaren, aber eher schwachen Kern. Die Helligkeit nahm nach außen hin gleichmäßig ab; die Galaxie ging fließend in den Hintergrund über. Begleitet wurde sie von der 12,4 mag hellen und viel kleineren NGC 4479, die mich mit ihrer eindeutigen Anwesenheit überraschte. Bei 83x löste sich das flächige Zentrum der Großen besser vom Rest des Nebels heraus.


Ebenfalls in diesem Gesichtsfeld konnte ich die Statisten NGC 4459, 4479, 4458 und 4461 identifizieren, ohne ihnen jedoch eine eigene Beschreibung zu widmen. Sie standen einerseits nicht auf meiner Herschel-400-Liste, und waren außerdem eher luschiger Natur.


Nach einem kurzen Aufwärm-Läufchen, bei dem ich sah, wie der Skorpion bereits über dem Wald des Truppenübungsplatzes emporstieg, wollte ich weitere H-400-Ziele abhaken, die im Löwen noch ausstanden. NGC 3655 war erst auf den zweiten Blick sichtbar; mickrig und ohne Details. Ein kleines, rundes Nebelchen mit homogener Helligkeit, die sich dadurch gut vom Hintergrund abgrenzte. Ganz leicht oval und N-S-ausgerichtet. Das Zentralgebiet war nicht merklich heller und der Kern blinkte nur schwer hervor, war bei höherer Vergrößerung aber dauerhaft zu halten. Das Objekt erinnerte mich an einen PN. Zitat aus dem Buch: „Lusche!


Die Wanderung ging weiter zu NGC 3912, die bei der helleren NGC 3900 und nahe der sternarmen Grenze zu Coma Berenices stand. Schon in der letzten Beobachtungsnacht hatte ich mich an ihr versucht, doch verwechselte sie mit einer kleinen Sternengruppe und musste mir den Misserfolg auf die Stirn schreiben. Also, auf ein Neues. Zitat aus dem Buch: „Schwer, aber machbar!“ Bei 48x kämpfte ich mit der enttäuschenden Galaxie. Ich verlor sie immer wieder aus den Augen. Sehr diffus, sehr fade. Kurz meinte ich, einen schwachen Kern gesehen zu haben. Als ich aufs 20er wechselte, hatte ich sie dann ganz verloren und ich gab es auf. Hm, blödes Teil…


Ich hielt kurz inne. Es war 01:00 Uhr und ich hörte einen umherrennenden Uwe. Wir staunten über den dunklen Himmel und die Milchstraße, die sich dick und fett über uns aufspannte wie ein Regenschirm. Leider waren die Lichtkegelchen der kleinen Fläming-Dörfchen am Horizont zu sehen und trübten den sonst so positiven Eindruck. Es war ruhig, wie so oft an diesem Ort; auch der Ford gab keine brummenden Töne von sich. Ich wandte mich in den Norden, um pflichtschuldig die Grenze in UMi zu bestimmen, obwohl ich das nicht sonderlich spannend finde. 6,35 mag hatte ich letztlich auf dem Zettel zu stehen… Nicht übel!


Nach dieser Zäsur kontinuierte ich mit NGC 3813, die sich schon im Hoheitsgebiet der Großen Bärin befand. Ich vertrödelte Zeit beim Aufsuchen. In der Übersicht tat ich mich noch schwer, sie zu halten, doch bei 48x kam die Erleuchtung: „ah, jetzt!“ Ein länglich-kastenförmiger Nebel mit rundem Zentrum. Er lag in O-W-Richtung und wies ein Achsenverhältnis von etwa 1:4 auf. Bei höherer Vergrößerung transformierte sich die Form zu einer Linse mit spitzen Enden. Die Helligkeit schien einerlei; kein Kern war auszumachen. Die Südflanke war stärker ausgeprägt als die Nordkante.


01:30 Uhr, ich gönnte mir Kaffee und schwenkte ein Stück nach Osten, um einen Blick auf NGC 3414 zu erhaschen. Sie befand sich in einer hübschen Konstellation und lag direkt zwischen zwei helleren Feldsternen. Eine runde Gesamtform mit oval-länglichem Zentralbereich, das sich markant abgrenzte und einen schwachen, stellaren Kern inkludierte. Der Rest der Galaxie floss in den Hintergrund aus.


Anschließend verlief ich mich zunächst während der Suche nach NGC 3395 und rührte an der falschen Stelle. Aber dann…! Im 26er zwar auffällig, aber „furchtbar diffus“. Auf der Karte hatte sie eine kleinere Begleiterin, NGC 3396, deren Außenlinien sich überschnitten. War sie auch zu sehen? Bei 83x konnte ich tatsächlich zwei „Flecken“ erkennen, die mir fast gleichhell vorkamen. Allerdings befand sich zwischen ihnen eine deutliche Lücke; nicht so, es wie im Atlas dargestellt ist. „Schön getrennt nebeneinander.“ 3395 besaß eine länglich-kastenförmige Figur mit einem Vordergrundstern am einen Ende, sowie einen stellaren Nukleus. NGC 3396 hingegen war eher diffuser Natur, rundlich und ließ eine zentrale Aufhellung vermissen.


Die Leo-Minor-Session setzte ich fort mit NGC 3432, die sich im 32er als „länglicher Nebellatschen“ (1:4) herausstellte. Sie lag direkt auf der Seite eines auffälligen Sterndreiecks und ich vermutete Lichtknoten. Diese stellten sich bei 48x als Vordergrundsterne heraus; einer am Westende, einer in der Osthälfte der Galaxie. Ich empfand sie als störenden Makel. Im 20er gefiel mir das Aussehen dieser schönen, zarten Nadel, obwohl ich einen weiteren Vordergrundstern nahe dem Zentrum erspähte – oder war das der Kern? Die Helligkeit war nahezu überall einheitlich; kein herausstechendes Zentralgebiet erkennbar. Die Galaxie grenzte sich gut vom Hintergrund ab, wobei jedoch die Spitzen diffus in den Hintergrund überflossen. Anblick im 15er: „Interessantes Teil!“ Ich zählte mindestens vier Vordergrundsterne. Außerdem ein überraschendes Detail: Der leichte Knick in der Osthälfte. Was für eine schöne Galaxie!!


Nach dieser Überraschung ging die Reise in den Herkules, wo ich die Galaxie NGC 6217 observieren wollte, die man eher als schmückendes Beiwerk von M 13 kennt. Mich überraschte, wie einfach sie zu erblicken war. In der Übersicht problemlos zu erkennen; bei höherer Vergrößerung zeigte sich ein ovaler Nebel (1:2) mit einem schwachen, punktförmigen Kern. Diese tolle Galaxie grenzte sich gut vom Hintergrund ab, da die Helligkeit auf der Gesamtfläche nahezu einheitlich schien.


Um 02:30 Uhr stellte ich noch einmal fest, wie herrlich dunkel es doch war und bestimmte erneut die Grenzgröße in UMi. Hatte der Himmel noch eine Schippe draufgelegt? Einen 6,4-mag-Stern konnte ich sicher dingfest machen – wow! Bestandsaufnahme: Nachdem der Skorpion schon „hoch“ im Süden stand, folgte der sommerliche Schütze, dessen Hauptsterne gut erkennbar über den Lichtkegeln standen. Die helle und strukturierte Milchstraße verlief bis tief hinunter und ließ mich staunen. Manchmal braucht es eben kein Teleskop, um fasziniert „kleben zu bleiben“. Außerdem genoss ich die Stille, die kurzzeitig unterbrochen wurde, weil Martin einen Knoppers vertilgte.


Ich richtete den Dobson auf M 81 und 82, die unter diesen Bedingungen einen wahren Augenöffner darstellten. Vor allem die Zigarre erschien im 9mm-Okular detailliert wie nie zuvor. Obwohl dies natürlich ein prächtiger Anblick war, war das Ziel doch ein anderes: NGC 2787, die sich etwa 3° westlich dieses Pärchens befand und somit gut auffindbar war. Sie erinnerte mich an NGC 6712; ein ovaler Nebel mit stellarem Kern; allerdings erschienen die Randbereiche diffuser auszulaufen. Das Zentrum hob sich markant heraus. Bei höherer Vergrößerung erspähte ich einen Vordergrundstern. Außerdem war eine dunkle Einbuchtung nahe dem Zentrum erahnbar: Die Galaxie wirkte westlich des Kerns scharf abgeschnitten.


Mir wurde langsam kalt, doch NGC 3877 direkt bei Chi UMa musste auch noch dran glauben. Der helle 3,7-mag-Stern half zwar bei der Suche, störte jedoch beim Sehen. Im 20er tauchte eine Galaxie in Kantenlage auf, deren Helligkeit sanft zur Mitte hin zunahm. Kein Nukleus erkennbar. Sie war sehr spitz und die Enden gingen zart in den Hintergrund über; das Achsenverhältnis schätzte ich auf mindestens 1:5.


Blick auf den Chronometer: 03:10 Uhr. Ich machte einen kleinen Anti-Kälte-Lauf und musste akzeptieren, dass die Dämmerung bereits einsetzte. Och, Mann. Als ich zurückkehrte, blickte das Teleskop noch in Richtung Chi UMa und ich suchte NGC 3893 auf, die 1° nördlich davon stand. Im 26er sah ich einen einfachen Nebel in leicht ovaler Gestalt und mit einem stellaren Kern. Bei 83x und 139x erschien sie ähnlich; wobei sie mir etwas unregelmäßig geformt erschien, doch dies konnte ich nicht weiter definieren. Langsam machte sich die Müdigkeit bemerkbar und die Konzentration befand sich im Sinkflug… Die kleine Begleiterin NGC 3896 war nicht zu sehen.


Der finale Blick des Morgens ging auf Stock 1, einem großen Offenen Haufen im Füchschen. Die vielen lose verteilten Mitglieder sprengten das Gesichtsfeld. Kein Anblick, der mich unbedingt vom Hocker haute; also begann ich, meinen Kram abzubauen.


Es war 03:30 Uhr und ich notierte: „Kalt, verdammt nochmal!“ Die Vogelwelt begann rings um uns zu zwitschern; vor allem aus dem Waldgebiet ertönte der belebende Gesang. Martin: „Jetzt geht das Morgenkonzert los.“ Recht hat er – der Tag beginnt und die Welt erwacht zum Leben. Im Nordosten schwebte bereits Capella im türkis-gelb-verfärbten Himmel. Ich war zufrieden mit der Ausbeute und freute mich auf die Nachbereitung der vielen Ergebnisse.

 



Ein Beobachtungsbericht von AKE

Magdeburg, 07.02.2013

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