Was habe ich mich auf diese Beobachtungsnacht gefreut. Nach einer langen Zeit des Darbens wollte ich endlich mal wieder mein Teleskop reaktivieren und diesem dämlichen Hobby nachgehen, und wenn ich schonmal in München weile, ist die Reise zu sehr guten Plätzen nicht weit. Am vorigen Wochenende hatten Norman und ich in der Nähe von Gerolsbach unsere Zelte aufgeschlagen, aber da lief es bei mir absolut nicht rund. Ich kam in keinen vernünftigen Beobachtungs-Rhythmus, musste mich erst wieder an die Okulare und das astronomische Sehen gewöhnen, das Zeichnen fiel schwer… Ziemlich frustrierend. Bei der kommenden Gelegenheit vom 12. auf den 13. August, pünktlich zum Perseiden-Maximum, sollte es anders werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass es mitten in der Woche war und wir alle unseren Arbeitstätigkeiten nachgehen mussten, fiel eine Reise in die Hochalpen flach und das Sudelfeld wurde ins Navi eingetickert. Komplett durchzuziehen hatte ich sowieso nicht geplant. Die Vorhersagen waren prima, auch wenn wir bei der Abfahrt einer schmierigen, fernen Gewitterzelle im Westen bangen Blickes hinterhersahen. Es lief flüssig und stressfrei auf der Autobahn. Der Stress begann erst, als wir durch Miesbach rollten, denn Uwe beachtete brav die Vorfahrt und bog erst hinter uns auf die Hauptstraße ein. 27“ im Nacken… Witziger Zufall.
Die Auffahrt zum Platz gestaltete sich als spannend. Zum einen, weil ich beinah falsch abgebogen wäre (Norman nahm alle Schuld auf sich) und ich wusste, dass das später Spott vom Hintermann geben würde, und zum anderen kam uns ein langer Autokorso mit durchweg Rosenheimer Kennzeichen entgegen – auf der nur einspurigen Asphaltstraße, die zur einen Seite stark abfiel. Ich fühlte mich wie neulich auf dem Dachauer Volksfest – es wurde unangenehm eng. Außerdem standen Kühe auf dem Weg rum und glotzten uns blöde aus ihren riesigen Augen an. Auf dem Beobachtungsplatz angekommen, zeigte sich der Abendhimmel von seiner klaren Seite und erste Sterne standen am Himmel. Ringsum bimmelten die zahlreichen Kuhglocken und ein galoppierendes Pferd trabte raschen Schrittes über die umliegenden Weiden, was mich anfangs irritierte. Kommen jetzt die Orks, oder was? Das anfängliche Zirrengeschmiere war nicht weiter erwähnenswert. 23°C sagte das Autothermometer; viel kälter sollte es im Laufe der Nacht auch nicht mehr werden. Aber im Vergleich zu der tropischen Bruthitze tagsüber war das dermaßen angenehm und kühl, dass ich in T-Shirt und kurzen Hosen arbeiten konnte und es in vollen Zügen genoss. Die Herren zogen sich allerdings schon bald Pullis über: „Man wird älter!“
Wir bauten auch gleich auf, damit die warmen Teleskopspiegel schnell abkühlen konnten. Norman investierte wieder viel Zeit in die Justage, und während es dunkler wurde, saß ich im Kofferraum, inspizierte meine Objektplanung, ging ein paar Schritte umher und aß meine Birne. Die ersten Perseiden sausten rasch vorbei; z.T. waren auch ganz schöne Brocken darunter. Norman unterhielt uns mit seiner Wortneuschöpfung „Magic PN“ – gemeint war eigentlich der Blue Flash Nebula im Delfin, den ich ja eigentlich auch aufm Zettel hatte. „Wie hießn der? Das war doch irgendwas mit ‚Magic‘ im Namen. Blue… Magic… Wieso lachstn du da?! Ich sags dir, das war so!“
Irgendwann war es dann dunkel genug für einen ersten Sternhaufen, den ich mir an der Grenze Adler/Schlange ausgeguckt hatte. Archinal 1. Wieder so ein frevelhafter Fall eines verlockenden Namens. Ich nicht anders, ich muss einfach wissen, was dahintersteckt. Und der Kollege hat mich nicht enttäuscht. Ein recht kleines, komprimiertes Grüppchen eng beieinander stehender Sterne. Bei 200x konnte ich 6 oder 7 Mitglieder herausseparieren, doch blieben sie von einem dreieckigen Schleier eingehüllt. Gefiel mir, das Ding, auch wenn es in der Übersichtvergrößerung erstmal schwer zu identifizieren war.
Präventiv hatte ich mir eine dünne Jacke angezogen, doch die war viel zu warm. Also wieder aus. Weil mir aber meine langen Haare im Gesicht und vor den Augen rumflatterten, fand alsbald eine Wintermütze den Weg auf meinen Kopf, um die Mähne zu bändigen. Sah bestimmt lustig aus. Ich hörte, wie Norman nebenan Sh2-71 einstellte, auf den Hajü uns in seinem jüngsten Bericht aufmerksam gemacht hat. Da der PN nur ein Stück weiter südlich von Archinal 1 steht, war er der zweite Halt auf meiner kleinen Adler-Tour. Der Nebel fiel problemlos auf, aber es galt natürlich, Hajüs Beobachtung und Zeichnung nachzuvollziehen. Ich sah einen hellen Stern, der von einem tropfenförmigen Nebel umhüllt war. Dieser lief nach Süden hin etwas spitzer und diffuser aus und zeigte dort eine leichte Einkerbung. Im Nordteil blinkte zeitweilen ein zweiter Stern heraus, der zwar bedeutend schwächer war, aber den eigentlichen Zentralstern des PN ausmacht. Der östliche Rand stellte das hellste Gebiet dar. Die Detailfülle auf Hajüs Zeichnung war bei mir leider nicht drin; Sh2-71 blieb irgendwie verklumpt.
In der Nähe erspähte ich das Symbol des Kugelsternhaufens NGC 6749. Der zeigte sich als überraschend ausgedehnte Wolke, war aber derart schwach, dass er doch schwierig zu lokalisieren war. Keine Helligkeitszunahme, keine Konzentration zur Mitte hin, und erst recht nicht aufgelöst. Lediglich ein heller Einzelstern in der nordöstlichen Ecke dominierte (und irritierte) den Anblick, auch wenn das natürlich auch nur ein vorgelagerter Stern sein könnte. Isch weeßes nisch.
Auf dem Starhop-Pfad zum nächsten geplanten Ziel hielt ich bei Pothier 20 an, einem überraschend hübschen Sternhäufchen. Hatte ich den schonmal? Kam mir irgendwie bekannt vor. Egal. Schon in der Übersicht stach er heraus, weil sich etliche schwache Sterne in einer langen, O-W-ausgerichteten Kette anordneten. Der östliche Teil davon löste sich in ca. 25 Mitglieder auf, die allesamt heller waren, als ihre Kollegen im Westtrakt. Insgesamt erinnerte mich die Form an die Schwingen eines fliegenden Vogels. Richtig nettes Teil, aber zum Zeichnen war ich dann doch zu faul. Nachtrag: Ja, den hatte ich vor zwei Jahren bereits im Fläming gemacht, aber da waren es nicht so viele Sterne wie jetzt.
Meine Mitbeobachter waren ruhig in ihre Arbeit vertieft; die Stille wurde nur ab und an unterbrochen durch die überraschten Rufe nach einer hellen Schnuppe. Das Grillenzirpen in den Wiesen ringsumher weckte schon wieder La-Palma-Feeling. Norman freute sich über den Blue-Magic-Flash-Nebel, während Uwe leise wegen irgendetwas meckerte. Der leichte Wind, der zum Abend noch wehte, war größtenteils zum Erliegen gekommen. Knochentrocken war es auch.
Es starhoppte sich easy durch den Adler und ich erreichte den PN NGC 6741, der auch den Beinamen „Phantom Streak“ besitzt. Er war zwar schon bei 130x als nonstellares, helles Krümelchen zu erkennen, aber selbst bei hoher Vergrößerung blieb der ein Winzling. Ein ovales Scheibchen. Die Ränder waren unruhig, aber diese Unruhe ließ sich irgendwie nicht greifen – vielleicht ein Knoten, vielleicht eine Einkerbung? Ließ sich nicht sagen. Das Innere blieb ohne Zentralstern und schien dunkler, sodass sich ein kleines Ringlein ergab. Zeitweise wirkten die beiden Enden (nach O und W zeigend) bei indirektem Sehen zugespitzter, was den Ring in ein Parallelogramm verwandelte.
Berkeley 81 sprang direkt westlich von NGC 6741 herum. Angemarkert hab ich mir den nicht, aber er fiel mir bei der Suche eben auf und gefiel mir. Eine sternreiche Wolke mit vielen herausgelösten Einzelsternen, aber nicht komplett aufgelöst, sondern mit runder Nebelhülle umsehen. Ein super Fund. Gleich daneben, weiter in westliche Richtung, befand sich mit NGC 6735 noch ein Offener Haufen, den ich jetzt allerdings nur mittelspannend fand.
Next Stop war NGC 6772, ein weiterer PN mit ringeliger Struktur. Rundliche Gesamtgestalt mit länglichem, dunklerem Innenleben. Die O- und W-Ränder waren breiter als die N- und S-Enden. Vor allem nach Osten hin wirkte der Rand heller. Ein Zentralstern oder andere Lichtpeaks, Knoten etc. waren nicht zu sehen.
Jo. Läuft doch heute! Das Seeing war okay in dieser Nacht, auch wenn 600x schon hart an der Grenze schrammte. Die Transparenz hätte vielleicht auch besser sein können, aber ich war zufrieden mit den guten Bedingungen. 600x brauchte ich auch, als es zu NGC 6778 ging, einem PN der beliebten Kategorie „blödes winziges Mistding“. Bei der hohen Flächenhelligkeit ging ihm zum Glück nicht das Licht aus, als ich mit 3x-Barlow und 9mm-Oku anrückte. Es zeigte sich ein rund-ovales, gut abgegrenztes Scheibchen ohne Zentralstern. Wieder aber tauchten nicht fassbare Details auf; der PN war unruhig. Letztendlich löste sich, mit Brechen und Würgen, am West- und Ost-Ende jeweils ein hellerer Knoten heraus. Den genau zu lokalisieren gelang mir nicht, aber dass da irgendwas Dickeres war, war zu bemerken.
Der Asphalt war noch aufgeheizt und strahlte die gespeicherte Wärme nach oben ab. Es war bald Mitternacht. Im Nordosten kletterte der Perseus weiter empor und schickte seine Sternschnuppen quer über den Himmel. Wie lauschig, in diesem Gebimmel und Gezirpe! Ich mag diese Ländlichkeit. Die Aquila-Tour erklärte ich für beendet und neigte den Dobson steil nach oben, um mich einer Galaxie zu nähern, auf die ich schon seit März unheimlich gespannt war. Es ging in die nördliche Leier. Lustigerweise fragte mich Norman genau in dem Moment danach, als ich umschwenkte. „Ja, die mach ich jetzt, bin schon auf dem Weg dahin.“ – „Wasn für ‘ne Galaxie?“, fragte Uwe. „Ah, ja. Sag mal Bescheid, wenn du die drin hast, das interessiert mich auch. Nummer kommt mir bekannt vor.“
Zunächst peilte ich aber auf den Asterismus (oder ists ‘n echter Haufen?) Saloranta 8. In der Übersicht sofort erkennbar, wirkte aber dennoch recht zerstreut. Ein eckiger, länglicher Ring aus helleren Sternen, in dessen Zentrum das hellste Haufenmitglied stand, versammelte innen und außen unregelmäßig verteilte schwächere Sternchen. Nirgendwo war eine Konzentration zu sehen. Insgesamt löste sich Sal 8 in 25 Mitglieder auf.
Sooo, nu wolln wer ma! Eine Galaxie in der Leier, NGC 6745, schaut auf Fotos so herrlich gestört aus. Da gibt’s auch so ein berühmtes Hubble-Bild, aufgrund dessen ich das Ding im Atlas mit einem Pfeil versehen hatte. Allerdings habe ich die Gestalt schon längst wieder vergessen und war somit völlig ahnungslos, was mich da erwarten würde. Entgegen der Markierung in Ronalds Zauberatlas war die Galaxie NICHT punktförmig. Nein, die war problemlos als Fläche auszumachen. Länglich und dreieckig, nach Norden spitz zulaufend und nach Osten gebogen. Im Süden fächerte sich der Nebel auf und lief diffus in den Hintergrund aus. An der Nordspitze war irgendwas Helles, Stellares. Entweder ein Vordergrundsternchen oder ein Knoten. Das blieb bei jeder Vergrößerung stellar. Direkt darüber, also südlich, ragte eine Einkerbung in den Nebel hinein, was die ganze Geschichte eingeschnürt aussehen ließ. Der Ostrand war merklich heller als der Rest und zeigte eine undefinierbare Mottelung oder Strukturierung. Ich konnte es nicht genau festhalten – es war einfach ein unruhiges Huddelmuddel. Ich lieh mir Normans 8er-Ethos aus und nahm mir Zeit für die Zeichnung, bevor ich die Herren herbeirief. Uwe bestätigte meine Eindrücke. Als er sein eigenes Objekt beendet hatte, stellte er NGC 6745 im 27er ein, worauf ich sehr gespannt war. Hier nun zerfiel der Ostrand in einzelne Klumpen; die Biegung der Seiten war einwandfrei erkennbar und das stellare Ding an der Nordspitze entpuppte sich als flächiger Knoten. Ich war begeistert – was für ein überraschendes Objekt! Das absolute Highlight dieser Sudelfeld-Nacht. Fazit: „Tja, die Leier hat halt noch mehr zu bieten als nur den Ringnebel.“
Es folgte nun eine Diskussion über Astro-Westen, bzw. über die Observation wests, die Darkskiesapparel vertreiben. „Gibt’s auch ‘ne Spechtel-West?“, wollte ich von Uwe wissen. „Ja. Die sind pink.“ – „Waren das nicht die Frauen-Versionen?“ – „Na. Ist das Gleiche.“ Ich war zutiefst schockiert und empört, auch wenn Uwe daraufhin auf „Mädchen“ abschwächte, was wohl als Entschuldigung gelten sollte. „Hey, das ist echt gemein. Das überlege ich mir noch. Darüber muss ich jetzt erstmal nachdenken.“ Norman machte die Situation mit seinem duldsamen Schweigen nicht besser. „Komm DU mir mal nach Hause!“ Es war nun 00:43 Uhr, als über der Bergwand im Norden, wohinter der Große Wagen bereits verschwand, ein fetter, knalliger Perseid durch den Himmel sprengte. Norman und Uwe bemerkten ihn auch. So einen hab ich wohl noch nie gesehen – scheiß die Wand an, war der hell!! Norman: „Boah. DAS war ja mal ‘n Gerät.“
Als er auch noch durch den 27er schauen wollte, um NGC 6745 zu sehen, bot er mir einen Blick durch seinen Dobson an: „Ich hab grad M 2 drin.“ – „M 2? Das ist ja ein Messier! Also, das geht gar nicht.“ Trotzdem riskierte ich einen Blick auf den dicken Kugelhaufen mit dem markanten, abgesetzten Einzelstern. Und lachte. „Und sowas guckst du dir an!“
Rings um Albireo gab es so einige nette Ziele; der Doppelstern diente mir schon so oft als Ausgangspunkt für den Starhop. Blöd nur, dass es immer mit der Orientierung hapert, weil so viele gleichhelle Sterne in der näheren Umgebung sind. Ich hoppelte also zum PN Kohoutek 3-27. Das war kein ausgesprochener Leuchtturm und brauchte schon so seine Einsehzeit, aber an entsprechender Stelle schälte sich irgendwann ein schwacher, rundlicher, geisterhafter Schemen heraus. Bei indirektem Sehen gerade noch so dauerhaft haltbar. Keine Details.
Uwe kündigte seine baldige Abreise an („hab kein Bock mehr“) und wollte sich noch einen Rausschmeißer gönnen. M 15. Er rief Norman herbei, der seinen eigenen gesuchten PN nicht fand und das Leberwurstbrot aufkaute, um ihm Pease 1 zu zeigen. Ich erinnerte mich noch gut an meine eigene Pease-1-Lektion, 2013 auf dem Tiefenbach, mit allem Drum und Dran, die komplette Prozedur: Observation west, Kapuze, Filterblink, verbale Positionsbeschreibungen, Wackeldackel auf der Leiter. Jetzt durfte ich mal lauschen. Und es war göttlich. Uwe gab sich alle Mühe, die Sternketten zu beschreiben, damit Norman sie nachvollziehen konnte, aber irgendwie klappte es nicht so ganz. Er fand „den Finger“ einfach nicht. Den auffälligen Finger, der vom Zentrum wegging. Der Finger. Siehst du den Finger? Der Finger geht da weg, neben dem hellen, isolierten Doppelstern. Der Finger ist brutal auffällig. Ja, ich glaube, ich weiß, welchen Finger du meinst. Der Finger neben dem Stern auf 7 Uhr? Nein, der Finger auf 5 Uhr. Der geht da weg, der Finger. Hm, ich seh da einen Finger auf 6 Uhr, aber ob das der Finger ist, den du meinst? Nee… Der ist RICHTIG auffällig, der Finger. RICHTIG auffällig. Der Finger sticht da richtig raus. Ich hörte derart oft das Wort „Finger“, dass es jeglichen Sinn für mich verlor. Bei jedem weiteren Finger wurden die Lachanfälle, die ich mühsam zu unterdrückten versuchte, stärker. Ich wartete förmlich auf den nächsten Finger. Platz 2 auf der Wortstatistik-Hitparade war übrigens „Uhr“. Nur anhand Uwes verbaler Beschreibungen hätte ich bereits eine 1-A-Karte von M 15 machen können, weil er auf verschiedene Weise versuchte, Norman zu erklären, wie man diesen vermaledeiten Finger erkennt. Verschiedene Starhops wurden durchprobiert, aber der Finger blieb inkognito. Irgendwann klappte es dann aber doch. Ahhh, DER Finger! Ja, der ist WIRKLICH auffällig, der Finger. Nun kam der Fingerblink… äh, Filterblink und die Erklärung dazu. „Dann nimmste den und hälst den nah vors Auge. Die Kapuze richtig runterziehen, denn der spiegelt, der Filter. Aber versuchs erstmal ohne Filter, damit du dich an die Kapuze gewöhnst. Die ist scheiß riesig, ich weiß. Jetzt den Filter. Ist eigentlich wurscht, wie rum du den hälst. Und dann immer hin- und herbewegen. Das Hin- und Herbewegen muss unter der Kapuze passieren. Richtig runterziehen! Und ist wurscht, wie rum du den hältst, ist wurscht.“ Spätestens bei der dritten „Wurscht“ musste ich von meiner Trittleiter steigen und mich festhalten, weils mich vor Lachen schüttelte. Die Diskussion über Positionen und Sternchen und PN-Blinkerei wurde immer hitziger. „Leute. Wie soll man sich denn dabei konzentrieren?“ – „Eh, tschuldige!“ – „Das ist zu herrlich!“ Nach der erfolgreichen Pease-1-Identifikation sprach Norman: „Danke für die Geduld bei so einem schwierigen Patienten wie mir.“ – „Ah, macht nix, das ist am Anfang immer schwierig.“
Meine Konzentration sollte eigentlich einem netten Reflexionsnebel-Sternhaufen-Komplex gelten, der auch irgendwo im Füchschen rumdümpelte. Roslund 4, den ich als geschlossenen Haufen absolut nicht erkennen konnte. Klar, lauter Sterne waren überall da, aber ein richtiger Cluster? Vermutlich sind es diese netten parallelen Ketten im Zentrum. IC 4954 und 4955 waren die nebulösen Partizipienten dieses galaktischen Gang-Bangs und bedeutend auffälliger. Eine Beschreibung dazu habe ich nicht gemacht, sondern stattdessen der Zeichnung eine ganze A5-Seite meines dahinsterbenden Skizzenblocks gegönnt – einfach, weil‘s so schön war. Wie gesagt, die Konzentration aufs Wesentliche fiel schwer, weil Uwe und Norman nebenan diesen dialogus fatale führten, der wohl alles bisher Dagewesene toppte.
Als Uwe alles eingeräumt hatte, war ich just erfolgreich im Aufsuchen meines letzten PN Henize 1-4. Aber vor der Beobachtung kam die Verabschiedung. Es war mittlerweile 02:00 Uhr. Wir wünschten eine gute Heimreise und erfolgreiche Fahrt auf den Glockner am nächsten Abend. Die laute Musik aus seinem Wagen war noch zu hören, als er hinter der nächsten Biegung verschwand. Ich widmete mich dem PN, der einfacher war als sein Vorgänger eben und direkt als runde, homogene Scheibe an einem Sternchen dranklebte.
Norman und ich überlegten, wann wir losfahren müssten, um pünktlich zur ersten S-Bahn um 04:53 Uhr in Karlsfeld zu sein. Ein paar Minütchen Schlaf brauchte ich vorher unbedingt, denn ich war schon extrem müde, auch wenn ich es niemals zugeben wollte. Auch Norman war nicht ganz topfit. Also beendeten wir nun ganz in Ruhe unsere Beobachtungen, packten das Gerümpel zusammen und knüllten uns nochmal für eine dreiviertel Stunde auf die Picknickdecke. Er schaute Schnuppen, ich schlief sofort ein. Um 03:15 Uhr riss mich der Wecker wieder aus dem Traumland, denn ansonsten hätte ich da wohl bis um Neune noch gelegen. Die Heimfahrt rief, München rief! Wie kaputt ich war, merkte ich daran, dass ich nur noch blöd vor mich hin kicherte, über jedes Wort von Norman lachte und selber den absoluten Oberstuss von mir gab. AC/DC retteten mich über die letzten Minuten bis Karlsfeld – danach war die Bahn für unsere sichere Heimkehr verantwortlich und ich grunzte schon auf dem Sitz weg.
Ein Beobachtungsbericht von AKE
Eschenried, 13.08.2015