25./26.08.2011 - Die erste müde Nacht

An unserem ersten Abend im Ötztal konnten wir auch gleich die Gelegenheit nutzen, auf den Gletscher zu fahren. So spät im Jahr wie diesmal waren wir noch nie dort – Ende August tun sich da ganz andere Möglichkeiten auf. Es wird früher dunkel und später hell; die Wintersternbilder sind morgens schon recht hoch am Himmel.

Um 20:00 Uhr befuhren wir die so geliebte Gletscherstraße, während die Berggipfel zuoberst noch golden von der Sonne beschienen wurden und standen zunächst am Tiefenbach, wo wir erstmal die Lage erkunden wollten. Wie schauts aus, was hat sich getan? Es war leider etwas zu windig für meinen Geschmack und so wichen wir auf den Parkplatz vom Rettenbachferner aus. Hier herrschte vergleichsweise Flaute und einige Wolken störten noch den Anblick der milden Dämmerung. Husch husch, schnell aufbauen… Ging ja flink mit dem Zehnzöller.

Es war 21:20 Uhr, als ich die Aufsuchkarte vorkramte und auf den aktuellen Kometen zielte: C2009 P1/Garradd. Der stand gerade schön mit M 71 im Feld, nahe einer kleinen Sterngruppe, und zeigte sich als helles Objekt. Ein stellarer Kern mit breit aufgefächertem Schweif, der in „Flugrichtung“ stärker abgegrenzt war. Ansonsten fließende Übergänge und allmähliches Auslaufen in den Hintergrund. Erst auf den zweiten Blick sah ich den schwachen Schweifausläufer: Um den Kern legte sich die runde Koma; von dort ging der etwa 3x längere Schweif nach Süden ab. Unglaublich! Bei 63facher Vergrößerung schien die Koma eiförmig und es zeigte sich eine hellere Stelle im Schweif. Dieser verjüngte sich nach innen hin, verbreiterte sich demzufolge nach außen etwas. Der Nucleus war stellar und fein. Der beste Anblick war im 15er bei 83x. Ein super Komet!


Nach diesem Opener verschlug es mich mitten in die schwänische Milchstraße. Eine ewig lange Suche im Gewimmel später hatte ich Biur 2 im Okular. Ein unauffälliger Offener Haufen, dessen Charakter kaum erkennbar war. Einige helle Sterne, die sich aber lose und länglich um einen hellen Stern verstreuten, der im Zentrum stand. Bei 83x stellte sich dieser als ein kleiner Doppelstern mit weitaus schwächerem Begleiter heraus. Um dieses Pärchen standen die weiteren 9 Mitglieder in einem spitzwinkligen Trapez. Biur 2 war aufgelöst, aber hochgradig unspektakulär.


Nahebei, etwas weiter östlich, zeigte sich Basel 6 als auffälliger und interessanter Haufen in markanter spitzer Dreiecksform. Die Mitglieder waren allesamt nahezu gleichhell. Ein sternarmer Streifen teilte den OS noch einmal auf: Ein großes und ein kleines Dreieck. Im 20er lösten sich die Teile auf in 9 bzw. 20 Sterne – insgesamt beinhaltete Basel 6 also etwa 30 Mitglieder. Bei 83x war ich von dem Anblick völlig fasziniert; es erinnerte mich an „Arwens Abendstern“.


Mittlerweile war die Zeit bis 22:30 Uhr fortgeschritten, sodass es endlich richtig dunkel war. Man hörte, wie Steine von den Berghängen runterpolterten. Konnte einem fast Angst machen…


Ich flüchtete aus dem Milchstraßen-Chaos in die wohlgeordnete, gähnende Galaxienflur des Pegasus. Ahh, hier herrschte noch Ordnung, hier konnte man mit Herschel 400 vorankommen. NGC 7479 tauchte problemlos im 32er auf und präsentierte sich zunächst als elliptischer, N-S-ausgerichteter Nebel mit einem Achsenverhältnis von 1:2,5. Kein Kern und diffuse Grenzen. Bei 63x erschien an der Nordspitze ein Vordergrundstern, das Zentrum war kaum heller als „der Rest“ und floss sanft aus; und ansonsten keine Details. Im 15er und mit indirektem Sehen ging die Galaxie enorm in die Breite und wurde runder. Es lief ein hellerer, zarter und angefressen wirkender Balken durch sie hindurch.


Es war zwar kein Eintrag auf der H-400-Liste, aber der Anblick auf der Karte weckte mein Interesse: Das Galaxienpärchen NGC 7463/5, 1° nordöstlich von Alpha Peg. Eine ziemlich mutige Angelegenheit, was die Helligkeitsangaben betrifft: 13,3 und 12,6 mag. Nicht unbedingt die Paradeobjekte für den alten Zehnzöller. Im 20er an der Wahrnehmungsgrenze. Zwei kaum sichtbare, gleich„helle“ Nebelchen. NGC 7463 befand sich in O-W-Kantenlage, die kleine Nachbarin war dagegen runder und mit Kern.


Ebenfalls in der Nachbarschaft war NGC 7448 zu bewundern, eine einfache und linsenförmige Galaxie. N-S, 1:3. Der Zentralbereich war flächig und gut vom Rest abgegrenzt, aber es beinhaltete keinen Kern. Auch bei höherer Vergrößerung änderte sich dieser fade Anblick nicht.

Schon 23:30 Uhr – meine Güte, was bin ich für eine Trantüte. Die Grenzgrößenbestimmung war mal wieder fällig und so verbummelte ich die nächsten Minuten. Ergebnis lohnte sich aber: 6,6 mag. Die Wolken waren in der Zwischenzeit komplett abgezogen und offenbarten einen klaren Osthimmel, wo M 45 und der helle Jupiter bereits emporstiegen.


NGC 7497 ist eine weitere Galaxie im Pegasus und für mich „absolute Grenze!“, obwohl 12,2 mag hell. Ich erahnte in der Übersicht nur phasenweise einen schwachen Nebel, der dann im 20er zumindest durchgängig haltbar blieb. Ein länglich-ovaler Lichtschimmer, NO-SW-gekippt, 1:2,5. Der Zentralbereich hob sich praktisch gar nicht ab, sodass die Galaxie eine homogene fade Fläche darstellte; kein Kern und schwierige, diffuse Übergänge.


Ein weiteres, einfaches Pärchen im westlichen Pegasus war NGC 7332/9. Es zeigten sich bereits in der Übersicht zwei benachbarte, problemlos erkennbare Nebelchen. NGC 7332 war die westliche der beiden und die deutlich hellere. Langgestreckt, N-S-stehend; mit stellarem Kern und hellem Zentrum, da sich gut von den Enden absetzte. NGC 7339 war etwas schwieriger. Es zeigte sich eine längliche, O-W-liegende Galaxie, die im Zentralbereich keine Details zeigte und viel diffuser und „weicher“ wirkte. Auch bei höherer Vergrößerung bestätigte sich dieser Eindruck.


Während das Datum wechselte, ging der Schwenk auf NGC 7217 im nördlichen Teil des geflügelten Pferdes. Keine Herausforderung: Ein kreisrunder Nebel mit ebenso rundem, flächigen Zentrum, in dem bei indirektem Sehen ein stellarer Nucleus erkennbar war. Trotz Spiel mit den Vergrößerungen änderte sich der Eindruck nicht. Ich sah keine Details. Die Grenzen liefen sanft aus, aber die Galaxie war insgesamt angenehm hell.


Um 00:20 Uhr herrschten mit 11°C noch sehr milde Temperaturen – und großartige Bedingungen. Es war klar und dunkel, wie das halt sein muss. In Ostrichtung kam der Winter hinauf… Ich machte eine kurze Pause, in der es einen besonderen Schluck Kaffee gab: Die Wirtin hatte uns echte Tiroler Kuhmilch aus eigener Wirtschaft zur Verfügung gestellt! Was für ein Erlebnis. Hinterher rannte ich ein paar Meter umher, mir wurde warm, das Bächlein rauschte die Straße hinunter.


NGC 7814 befand sich in der Nähe von Gamma Peg und war im 32er eigentlich recht hell, fiel aber erst auf den zweiten Blick auf. Es handelte sich um einen oval-länglichen Nebel ohne Kern. Der Zentralbereich war deutlich heller als der Rest, aber die Übergänge waren zart fließend und die Galaxie machte einen eher flauen Eindruck. Sie war NO-SW-ausgerichtet, Achsenverhältnis 1:2. Bei 63x zeigten sich weiterhin keine Details; sie ging lediglich etwas mehr in die Breite und wirkte entlang der Westkante abgeschnitten. Vielleicht eine flüchtige Vorahnung vom Staubband?


Ich wurde etwas müde, was angesichts der langen Anreise vom Nachmittag kein großes Wunder war. Der Schwenk ging hinunter in die Fischlein zu NGC 488, während aus der Umgebung seltsame Töne aufkamen. Notiz aus dem Buch: „Kommen jetzt die Ziegen oder was?!“ Eine auffällige Galaxie. Rund, nur minimal oval. Mit hellem stellarem Kern. Dieser Eindruck änderte sich auch in anderen Okularen nicht.


Gähn – Ich zog mich ins Auto zurück und pennte eine Runde. Die kurze Erholung tat zwar gut, aber einmal müde, immer müde, und so wurde ich nachfolgend nicht mehr richtig munter und schlurfte torkelnd durch die Gegend. Am besten gar nicht erst hinlegen, sondern einfach straff weitermachen und durchziehen. Die Bedingungen waren unverändert, doch nun zeigte sich schon der Orion oberhalb der Bergspitzen.


Cr 21 sollte das letzte Objekt sein – gerade simpel und einfach genug, dass man ihn auch im Halbschlaf sieht. Ein unscheinbarer Offener Haufen im Dreieck. Er besaß wenige, dafür aber helle Sterne und war schon in Übersichtsvergrößerung aufgelöst. Ca. 10 Mitglieder, die halbkreis- bzw. schüsselförmig angeordnet waren. Bei 63x ein überraschend schöner Anblick! Nun zählte ich 14 Sterne und die Form wirkte wie die Silhouette eines kleinen Segelbootes. Nettes Finalobjekt.


Ich verschwand wieder im Ford, war einfach zu breit zum Weitermachen. Gegen 03:20 Uhr schaffte ich es noch, den Zehnzöller abzubauen und freute mich auf eine Mütze… ähh, Sombrerohut voll Schlaf in der Pension.

 


 

Ein Beobachtungsbericht von AKE

Magdeburg, 11.03.2013

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