Was hätte das für eine interessante Nacht werden können. Wenn es nach den Medien ginge, hätte der letzte Sonnensturm die gesamte westliche Zivilisation lahmgelegt. Flugzeuge stürzen vom Himmel, wir werden mit magnetischen Teilen bombardiert, Strom und Funk fallen aus, Polarlichter tanzen grellbunt über das gesamte Firmament. Da nach solchen solaren Auswürfen die halbe Welt verrücktspielt und die Nachrichtensender eine große Aurora-Show ankündigen, aber irgendwie nie was passiert, hatte ich auch nicht erwartet, dass man über Schönebeck Polarlichter sieht. Naja, trotzdem guckt man natürlich hin. Aber die Jupiterbedeckung hätte ich schon gern verfolgt, wenn man sich dafür immerhin extra den Wecker stellt.
Nach einer viel zu kurzen Schlafphase war das Astro-Meeting auf halb 3 angesetzt. Zu viert gondelten wir hoch auf den Hummelberg, von dem man eine großartige Sicht auf den Osthorizont und die davorliegende Stadt hat. Es waren ein paar Wolken unterwegs, aus Westen zog es ran, aber ansonsten noch klar. Mit 14°C herrschten angenehme Temperaturen. Die dünne Mondsichel und deren aschgraue blasse Seite wurden begleitet vom hellen Jupiter und boten einen hübschen Anblick. Es war ruhig da oben; ein paar schlaflose Grillen zirpten und hinter der Böschung raschelten ein paar Vögel. Vielleicht wars auch der Hase, der oft da oben rumspringt.
Abgesehen von meiner Kamera hatte ich keine Ausrüstung dabei, denn sooo erpicht auf dieses Ereignis war ich nun auch nicht. Ähnlich wie beim Venustransit war viel Warterei im Spiel. Und was macht man in der Zeit? - Bilder. Auch Thomas' und Uwes Apparate piepsten unentwegt und produzierten fleißig Fotos. Die einsetzende Dämmerung färbte den Himmel hinter den Wolken in ein dunkles Blau, das stetig heller wurde, und Mond, Jupiter und die Plejaden standen über der hell beleuchteten Stadt. Wir analysierten diverse Gebäude und konnten sogar bis nach Leitzkau schauen, wo das berühmte Schloss ebenfalls illuminiert war. Davor befand sich der gigantische Pylon der neuen, noch nicht fertigen Elbbrücke, dessen rotes Licht kontinuierlich vor sich hin blinkte.
Dunkelorange erschien ein weiteres Lichtlein an Horizont - die Venus gesellte sich dazu und verschwand schon bald hinter der nächsten Wolkenbank, um später strahlend wieder hervorzukehren. Blick nach Norden, wo Magdeburg liegt - keine Polarlichter. War ja klar. Der Lichtpunkt namens Jupiter schien sich weiter der Mondsichel anzunähern, aber auch eine dicke, tiefe, rotgefärbte Wolke schob sich über uns hinweg gen Osten. Oh, oh. Ein Blick durch Uwes Refraktor zeigte eine tolle Konstellation von Luna, Jupiter und dessen "kleinen" Monden, die wie auf einer Perlenschnur aufgereiht nebeneinander saßen.
Kurz bevor es ernst wurde - wirklich nur ganz kurz davor! - verschwanden die beiden Hauptdarsteller hinterm Vorhang. Klagen und Flüche wurden laut; links und rechts drangen aus der Dunkelheit diverse Verwünschungen an mein Ohr. Vor allem Martin schimpfte, denn just als er den Aufbauvorgang beendet hatte und loslegen wollte, war es dicht. Zudem wurden wir von Mücken belästigt, die nach dem feuchtwarmen Wetter der letzten Tage wie Pilze aus dem Boden schossen. Summ, summ.
Wir blieben trotzdem vor Ort und lauschten dem beginnenden Vogelkonzert aus dem Hummelberger Waldgebiet, während die Umgebung immer heller wurde. Wir spekulierten auf den Austritt von Europa, der um 04:14 stattfinden sollte, aber es sollte nicht sein. Und so entstanden noch einige Bilder, ehe gegen 04:40 Uhr das große Abbauen begann.
Beobachtungsbericht von AKE
Schönebeck, 15.07.2012