16./17.07.2023 - Orangene Sterne und Komet im Garten

Große Wunder sind im Juli noch nicht zu erwarten, aber immerhin wird es wieder komplett dunkel und die Sommerpause ist vorbei. Nach zwei Monaten lauerte ich schon ungeduldig auf die Neumond-Phase und hatte große Pläne, die vom Alltag allerdings mal wieder torpediert wurden. Und so konnte ich die Nacht von Sonntag auf Montag nicht auswärts nutzen, sondern musste auf den Garten ausweichen. Die berühmt-berüchtigte Notlösung. Aber besser als gar nix.


Mit meiner Tochter ging ich gegen 21 Uhr nach draußen und ließ mir von ihr beim Aufbau des Teleskops assistieren. Zum Glück scheint sie mein Interesse an den Sternen zu teilen und konnte mir kompetent erklären, was das Boden-Dreieck ist, welcher Sucher in welche Schiene gehört und wo das Okular reinkommt. Die kennt sich aus… Sonst hätte ich ganz schön blöd dagestanden. Jedenfalls ein großer Spaß. Es war klar, windstill und ziemlich mild – kurze-Hosen-Wetter, das ist das Schöne am Sommer. Als der Dobson parat stand, ging es für die junge Dame ins Bett. Wir richteten in der Gartenhütte einen Schlafplatz ein, den ich nach Beobachtungsende auch zu konsultieren gedachte, sagten danach noch schnell dem Dobson Gutenacht und dann begann das langwierige Einschlafritual.


Erst gegen halb 11 kam ich wieder raus, nachdem ich selber fast eingepennt war, und hatte wegen der langen Dämmerung unendlich viel Zeit zu vertrödeln. Grillen zirpten unentwegt, ein paar Wolken waren aufgetaucht, Mücken umschwirrten meine unbekleideten Waden. Sämtliche Dorfhunde kläfften. Ich hasse Hunde. Objektplanung lief. War komplett unvorbereitet. Irgendein Komet war doch aktuell so präsent; ich suchte auf dem Handy nach Koordinaten. Die Wolken wurden mehr. Eine knappe Stunde verdödelte ich, ehe es dann endlich wieder ein wenig aufriss und die Wolken die dörfliche Dunkelheit freigaben.

Bei Atair war ein Offener Haufen, der im Atlas vielversprechend aussah, die Erwartungen im Okular jedoch nicht erfüllte: NGC 6828 an einem hellen Stern; die allermeisten Mitglieder ordneten sich bogenförmig nördlich des Sterns an und waren allesamt bedeutend schwächer. Insgesamt schälten sich ca. 20 Stück aus dem noch dämmernden Himmel heraus. Nicht so der Brüller.


Ich blieb in der Gegend und schwenkte auf X Aql. Recht schwach in der Übersicht; bei 138x besser. Farbe wie ein tiefes Orangebraun, aber schwer zu bestimmen bei der geringen Helligkeit.


Wolken zogen durchs Zielgebiet und störten die Beobachtung. Na toll. Aus lauter Verlegenheit, und weil im Herkules eine große Lücke war, verließ ich den Adler und hielt auf M 13. Verzweiflungstat! Aber hübsch war er natürlich… mit seinen vielen Einzelsternen und dem Propeller… Ehe auch ihm wegen der Wolken die Lichter ausgingen.


Da nun ein großer Teil des Südhimmels bedeckt war und sich der Kleine Wagen einigermaßen frei zeigte, wollte ich gleich mal diesen blöden Kometen abhaken. Er stand relativ gut auffindbar in der Nähe einer markanten Sterngruppe bei 41 UMi, aber da ich die Koordinaten vorhin für das letzte Datum genommen hatte, fand ich ihn im eingestellten Feld nicht. Hm. Nochmal Blick in die Koordinaten… Und dann ging mir ein Licht auf; ich muss ja schon bei 17.07. gucken. Einige Bogenminuten daneben tauchte dann kurz etwas kompakt-Nebliges auf, was aber nicht dauerhaft zu halten war und bald auch ganz verschwand. Grund: Die Wolken verteilten sich nun auch in UMi, bissen sich dort fest und wollten nicht weiterziehen. Ich wartete einige Zeit lang, während der restliche Himmel wieder auftat, in der Hoffnung, eine Lücke würde den Blick auf den Kometen wieder freigeben und mir ein erneutes Aufsuchen ersparen… Aber nix da. Hartnäckige Wolkenflocken. So ein Ätz. Das blöde Ding kann mich mal.


Schwerst beleidigt drehte ich mich wieder zurück zum Adler, und kurz nach Mitternacht zog die helle ISS von Westen her quer über den Zenit. Schön! Den PN NGC 6852 kannte ich noch nicht; und dabei ist der so nett… Schon bei 138x ohne Filter locker sichtbar. 200x waren mit [OIII] fast schon zu viel des Guten. Eine homogene runde Scheibe. Ein Vordergrundstern nordwestlich davon stand so eng am Rand, dass er bei indirektem Sehen eine Verklumpung oder Zweiteilung vorgaukelte. Der PN schien mir irgendwie undefinierbar geformt: Rund, ja, aber die Grenzen wirkten schwammig und diffus. Das Innere eine Nuance dunkler. Mit Filter kein Zentralstern sichtbar; ohne Filter ebenfalls nicht, dafür tauchten in der unmittelbaren Umgebung aber viele weitere schwache Feldsternchen auf.

Um Viertel 1 kurz zur Hütte gegangen, um nach dem Rechten zu schauen… Jo, alles cool. Im Norden tobten sich noch ein paar letzte Wolkenfetzen aus; der restliche Himmel war klar und das Seeing nur halb so schlecht wie befürchtet.


Ich surfte verschiedene veränderliche Sterne an, von denen ich mir vielleicht was versprach, aber ich notierte sie mir nicht, wenn sie Rohrkrepierer waren. So wie z.B. RR Aql, der nicht mal eindeutig zu erkennen war. Oder irgendwelche Dinger im Delfin. Ich stolperte dort über den Asterismus Poskus 1. Der Name kommt mir so vertraut vor, war ich da schon mal? Keine Ahnung, gefiel mir jedenfalls nicht. Man erkennt ihn als ein augenscheinliches Muster aus einigen schwachen Sternen, die wie ein langgezogenes T angeordnet waren. Höher vergrößert verlor sich der zusammengeballte Charakter auch schon wieder. Kein Hingucker.


RS Del war eine spontane Eingebung. Ein orangener Stern. Nett im Okular: Zusammen mit einem westlich stehenden, tief-eisblauen 7,3mag-Stern bildet er ein schickes Duo. Bei einem zweiten Blick jedoch schien mir der Nachbarstern gar nicht mehr soo blau; vermutlich schlug da so ein Farbkontrasteffekt zu. Egal – kein Ziel, was man unbedingt ansteuern muss, aber als Häppchen zwischendurch nett anzuschauen.


Um Einse gabs eine heiße Tasse Kaffee zur Erwärmung. Es wurde frischer und manches Mal zogen ein paar kühle Brisen an mir vorbei. Die Wolken, die mich eingangs der Nacht noch geärgert hatten, waren inzwischen gänzlich verschwunden und hinterließen einen glasklaren Himmel. Ein Güterzug donnerte vorbei, die Autobahn rauschte von fern; ansonsten wunderbare Stille.


Kugelsternhaufen Nr. 2 war NGC 6934, der kleine kompakte Ballen im Delphin. Bei 138x sehr körnig und grieselig, ohne allerdings konkrete Einzelsterne preiszugeben. Die wollten sich ansatzweise bei 200x zeigen; verstreut blitzten stellare Peaks heraus und verschwanden wieder, bevor ich sie richtig verorten konnte. Alles sehr dicht, sehr eng, kompakt. Der Feldstern westlich von NGC 6934 zeigte sich in sattem Orange.

Unsicher war ich mir bei dem Mira-Veränderlichen R Del. Mit 138-facher Vergrößerung zeigte sich im Zielgebiet ein schwacher, aber eindeutig tief orangebrauner Stern. Krass! Irgendwann, mit sinkender Helligkeit, wird es mit der Farbwahrnehmung schwierig, obwohl die Sterne in ihrem Minimum am rötesten sind. Und die Farbe selbst bei den Bedingungen zu erkennen – dieses tiefe Orange-Rot-Braun –, fand ich schon imposant.

Seit geraumer Zeit war ein heller Lichtpunkt im Südosten sichtbar, den ich keinem Stern des Herbsthimmels zuordnen konnte. Irgendwann fiel der Groschen: Saturn. Ah, wie die Zeit vergeht; dann wird Jupiter auch bald wieder zu sehen sein. X Sge lachte mich im Atlas an und war auch im Okular auffällig; ein satt orangefarbener Stern, allerdings nicht so rot wie erhofft.


Der Asterismus Leiter 4 wurde seinem Spitznamen „Snail Cluster“ absolut gerecht. Direkt an einem orangefarbenen Stern formierte sich ein schlangenartiges Muster; eine gebogene Kette, die in einem „Kreis“ endete, welcher den Kopf der Schlange darstellt. Der helle Stern war Teil des Musters. Insgesamt knapp 20 Mitglieder, die sich der Formation zuordnen ließen.

Mein Blick ging im Laufe der Nacht immer wieder hoch in die UMi-Region, wo sich die hartnäckigen Wolkenbatzen längst aufgelöst hatten, aber da ich noch vergnatzt war, wollte ich erstmal keinen zweiten Versuch für die Kometenbeobachtung starten. Aber neugierig ist man ja doch… Die markante Sternformation bei 41 UMi war schnell wieder eingestellt, und als ich von dort aus in den Zielbereich schwenkte, wurde ich von dem Kometen regelrecht erschlagen. Wow, brutal. Jetzt knallt der. C/2023 E1 (ATLAS) war unübersehbar! Eine helle, große, runde Wolke, die zur Mitte hin etwas heller wurde, aber nicht in einem Kern gipfelte. Es waren auch sonst keine weiteren Strukturen erkennbar. Kein Schweif oder sowas. Die Koma lief einfach gleichmäßig in alle Richtungen aus. Rein ästhetisch war der Komet nicht so der Brüller, aber dennoch sehr hell, und für meinen ersten Kometen seit dem überragenden NEOWISE ein ganz ordentliches Exemplar.

Es war 01:45 Uhr und ich steckte nochmal meinen Kopf durch die Tür der Gartenhütte. Das Schnarchen besagte, dass hier alles roger war. Auch ich fühlte mich gut; die erfolgreiche Kometensichtung bescherte mir richtig gute Laune.


Es ging wieder zurück in die Sommermilchstraße. Ich hatte mir den Stern V336 im Füchschen markiert, aber ich weiß nicht, wieso. Was wollte ich denn da? Er zeigte sich hell und gut findbar, aber nur leicht orange und sonst nicht weiter spannend. Hm.


Nicht weit weg befand sich mit NGC 6813 ein Emissionsnebel. Hm, in manchen Quellen auch als PN verzeichnet? Der [OIII] war schon im Übersichtsokular eingeschraubt und der Nebel tauchte als kleiner, dezenter Blob nach längerem Hinsehen auf. Bei 138x dann interessanter: Die Gesamtform dreieckig oder oval; das Innere deutlich heller als die Randbereiche und zergliederte sich in einen größeren und einen kleineren Klumpen, wobei einer davon lediglich ein Stern war, der vom Filter verschluckt wurde. Wirkte unruhig. Der gesamte Komplex reagierte sehr stark auf [OIII]; ohne ihn verschwand ein Großteil des Nebels und die Sterne traten deutlich hervor.

Von dort aus ließ sich der Sternhaufen Turner 1 leicht ansteuern, der sich bei 40x allerdings noch nicht zeigen wollte. Erst eine höhere Vergrößerung brachte das Grüppchen zutage, welches sich dicht um den dominierenden, orangefarbenen Stern S Vul gruppierte. Da die anderen Mitglieder allesamt wesentlich schwächer waren, störte S Vul bei deren Erkennung. Turner 1 zeigte sich insg. oval und sternreicher als anfangs gedacht, machte aber trotzdem keinen guten Eindruck. Alles so schwach und eng im Zentrum, obwohl die Gruppe komplett aufzulösen war und aus insg. 20-25 Sternen bestand.


Letztes Objekt der Nacht war der PN NGC 6842. Nur grob stellte ich die Zielregion ein, aber das runde Scheibchen tauchte sofort und ohne exakte Ortskenntnis bei 138x und mit [OIII]-Unterstützung im Feld auf. Homogen, kein Zentralstern. Daran änderte sich bei höherer Vergrößerung nicht viel. Die Westhälfte erschien mir etwas besser definiert bzw. kräftiger, aber nur dezent. Nahe des diffuseren Ostrandes blitzten immer wieder zarte Feldsternchen hervor. Der Zentralstern blieb aber komplett incognito.

Bisschen dolle überzeichnet, naja, so erkennt man es wenigstens.

Blick auf die Uhr: 02:38. Ich hatte schon seit geraumer Zeit Probleme, einigermaßen unverkrampft durchs Okular zu blicken; irgendwann ging es gar nicht mehr. Die Augen brauchten einfach Schlaf und ich begann, alles abzubauen und leisestmöglich zur Holzhütte zu schleppen. Kaum hatte ich mich dann in das Deckenlager gebettet, wurde ich nur nochmal kurz von meinem Standard-Weckerklingeln um 03:00 Uhr von der dringend benötigten Mütze Schlaf abgehalten. Auf dem Fußboden war es irgendwann etwas ungemütlich, aber 3,5h später im sonnenbeschienenen Garten wieder aufzuwachen, hatte absolut was.

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