Eine Frage, die ich mir immer stelle, seit ich regelmäßig in die Alpen fahre: Wie überlebt man eigentlich, wenn man nach einer langen Nacht nur 2 Stunden geschlafen hat und am Abend die nächste Session ansteht? - Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Irgendwie halt. Dass man die schönen Sonnenstunden nicht fürs Wandern nutzen kann, ist natürlich schade, aber die Prioritäten sind klar. Zumindest ging sich ein kleiner Spaziergang nach Sölden aus.
Als ich am Nachmittag dann im Bett lag, schlief ich während des Berichtschreibens ein und wachte pünktlich zum Abendessen auf. Von wegen Urlaub, das ist harte Arbeit... Es hatte sich tagsüber kein einziges Wölkchen gezeigt. Stattdessen schien die freundliche Sonne von einem tiefblauen, klaren Himmel und weckte in uns die Vorfreude auf die kommenden Stunden. Schon recht früh, bei lauschigen 10°C, erreichten wir den Beobachtungsplatz, wo Uwe Glahn und Costa bereits ihr Refugium bezogen hatten. Die alpine Abenddämmerung haut einen jedes Mal aufs Neue vom Hocker, wenn die oberen Berggipfel scheinbar aus sich heraus leuchteten und dahinter der Erdschatten aufstieg. Ein scharfes, dunkelblaues Band, das jäh in sämtliche Pink- und Rottöne überging. Ich ging umher, machte Fotos, stellte meinen Kram auf und bekam einen Schreck, als ich sah, dass Tauwasser auf meinem Spiegel war. Während des Auskühlprozesses verschwand er allerdings, sodass ich nicht den Fön bemühen musste.
Ein seltsamer, Englisch sprechender Besuch kam ebenfalls zu uns gefahren. Ein Pärchen. Der Mann wollte wissen, was wir hier machen („Astronomy?“), und ob man mit dem Auto noch weiter hinauf gelangen könne. Wir rieten davon ab. Die beiden saßen dann in ihrem Wagen, fuhren mal hierhin, mal dorthin, wendeten wieder, blitzten mit ihrer Kamera die weit entfernten Berggipfel an... Sie machten mich nervös. Nachdem Uwe G. ein Machtwort gesprochen hatte, fuhren sie - ohne Scheinwerfer! - im Dunklen den abenteuerlichen Schotterweg hinunter und blieben irgendwo weiter unten stehen. Später verschwanden sie sogar ganz.
Und es hieß Warten. Im Gegensatz zur Vornacht war es absolut klar und windstill. Von fern hörte man das leise Glockenklingeln eines Schafes, das durch den kontinuierlichen Geräuscheschwall des Gletscherbaches drang. Eine Spannung hatte sich über das Plateau gelegt; alle freuten sich auf die vielversprechende Nacht. Es deutete sich früh an, dass das Seeing sehr gut werden würde. Die Milchstraße flockte rasch aus und war bis in den Horizont zu verfolgen, wo der Teepott stand. Für mich, als Flachlandtiroler, immer wieder ein ungewöhnlicher Anblick, dieses tiefe Sternbild in seiner Gänze zu sehen. 21:30 Uhr stieß schlussendlich auch Frank R. zu uns, und als sein Scheinwerferlicht erlosch, stürzte ich mich in meine Objektlisten.
Eine Aufsuchkarte widmete sich einigen Galaxien im Drachen, mit denen ich beginnen wollte. NGC 6651 mit einer Helligkeit von 13,7 mag war trotz der latenten Restdämmerung problemlos zu erkennen. Ein mäßig helles Zentrum ohne Kern. Die Form war mir nicht ganz eindeutig; sie wirkte ein wenig tropfenförmig und das eine Ende schien etwas breiter gewesen zu sein.
NGC 6689, mit 13,4 mag nicht viel stärker, zeigte sich als ein längliches (1:4) Objekt, N-S-ausgerichtet, und ebenfalls ohne markante Helligkeitszunahme zur Mitte hin. Sie war jedoch gut begrenzt. An der Nordspitze und westlich der Mitte war je ein Vordergrundstern zu sehen. Bei höherer Vergrößerung schien die Galaxie eher kastenförmig und mit einem geringfügig breiteren Südende.
Was gestern schon auffiel waren die vielen Flugzeuge, die über den Himmel zogen. Uwe W. klagte über störende Fliegerspuren in den Aufnahmen. Ich hörte die Schritte der Mitbeobachter auf dem staubigen Schotter, was näher klang, als es eigentlich war. Rote Lichter wanderten umher, schwarze Gestalten standen neben schwarzen Türmen, lautes Lachen schallte über die Ebene... Mann, war das toll.
NGC 6621, eine weitere 13,x-Galaxie im Drachen, zeigte sich bei 129x als länglich und dünn, mit einem geschätzten Achsenverhältnis von 1:4. Sie grenzte sich gut vom Hintergrund ab. Entlang der Hauptachse wirkte sie gemottelt und klumpig, was sich bei höherer Vergrößerung bestätigte. Das Zentralgebiet war nur mäßig hell, aber nördlich und südlich davon waren weitere Lichtknoten zu finden. Der eine davon gehört der Begleitgalaxie NGC 6622.
NGC 6598 knackte die 14-mag-Grenze, weswegen sie zunächst nicht ganz so auffällig daherkam. Runde Form, mit einem Vordergrundstern am Ostrand. Im 9-mm-Okular ließ sich bei indirektem Sehen ein stellarer Kern erkennen, der jedoch wesentlich schwächer war als der nebenstehende Stern. Die Westkante schien etwas schärfer abgegrenzt als der Rest.
8,5' vom Katzenaugennebel NGC 6543 entfernt befindet sich die 14,6-mag-Galaxie NGC 6552. Beide Objekte waren im Gesichtsfeld als ungleiches Pärchen zu sehen. Während der PN eine scharf begrenzte, helltürkise Scheibe mit auffälligem Zentralstern war, blieb es bei der Galaxie bei einem rund-ovalen, diffusen, unspektakulären Objekt, das zur Mitte hin nur geringfügig heller war.
Es war 22:35 Uhr. Ronald kam zu Uwe und Martin gepilgert, um vorzuwarnen, dass demnächst zwei weitere Leute mit Licht hinaufkommen werden. Ich hatte keinen Bock mehr auf die Drachenregion und beschloss, nach einer kurzen Kaffee-Pause mit einer Liste von Uwe Glahn fortzufahren, die er eigens für „PN-Muffel“ erstellt hat. Hmpf. Das SQM-L maß einen Wert von 21,48 mag/arcsec². Weniger als gestern, was auch mit dem bloßen Auge festzustellen war, aber gemäß bisheriger Erfahrungen wird es im Laufe der Nacht eh immer besser. Also dann, zurück an die Arbeit...
NGC 6804 war ein PN im Adler, bei dem mein Kartenprogramm die Info anzeigt, dass Monsieur Herschel ihn seinerzeit als Offenen Haufen missklassifizierte. Mit zwischengeschaltetem OIII-Filter zeigte sich eine helle, runde Scheibe, die scharfe. aufgehellte Grenzen aufwies, die jedoch am NW- und SO-Rand schwammiger und diffuser ausliefen und unterbrochen waren. Mehrere Vordergrundsterne; beim Zentralstern war ich mir erst unsicher, doch nach Entfernen des Filters tauchte er unmissverständlich auf. Das Interieur des PN kam dunkler daher.
Auf meinen eigenen Ausdrucken hatte ich mir selbstständig im Cepheus zwei PN ausgesucht, die ich nun anfahren wollte.
NGC 7076 erschien als eine schwache Wolke; rund und gut begrenzt. War die Osthälfte ein wenig kräftiger...? Nach längerer Betrachtung löste sich die Westkante auf und es ergab sich ein nach Osten gekrümmter Nebel.
NGC 7139 war auffälliger als sein Vorgänger. Eine ebenfalls runde Scheibe mit klaren Grenzen und homogener Helligkeitsverteilung über die gesamte Fläche. Nach längerer Beobachtung schien das Objekt undefinierbar leicht deformiert, und 1 oder 2 grenzwärtige Vordergrundsterne in der Westhälfte blinkten irgendwie hervor.
23:15 Uhr stießen jene zwei Leute hinzu, die Ronald angekündigt hatte, und ein bayrischer Dialekt schallte über den Platz. Es tut mir sehr leid, doch ich kenne die Namen nicht, nachfolgend also nur „die Münchner“ genannt. Ich widmete mich wieder der Auftragsliste zu und brauchte eine Weile, ehe ich die Region vom Saturnnebel NGC 7009 endlich im Okular hatte. Hat sich aber gelohnt... Schon bei nur 200x und mit OIII-Filter strahlte mich eine helle, scharfkantige, leuchtend türkise Scheibe an. In O-W-Richtung geringfügig elongiert. Im Inneren ließ sich ein zarter, geringfügig hellerer ovaler Ring erkennen, den ich erst für Blödsinn hielt, dann aber für sicher erachtete. Eigentliches Augenmerk waren die beiden Ausläufer, die „Saturn-Ansen“, die bei direktem Sehen als zwei kurze, schwache Striche sichtbar waren. Bei indirektem Sehen verschmolzen sie mit dem Hauptoval zu einer breiten und linsenförmigen Scheibe. Gleiches bei 450x, wo sich die strichförmigen Ausläufer noch besser absetzten. Allerdings war es schwierig, das Objekt im Gesichtsfeld zu halten. Bei dieser Vergrößerung flitzte es schnell heraus.
Just als ich mich, nach der anstrengenden Arbeit, mit Nussstangen versorgte, kam Uwe G. vorbei, um Ergebnisse zu sehen. Nach kurzem Rapport stellte er im 27-Zöller den eben bearbeiteten Saturnnebel ein, der dort natürlich alle Grenzen sprengte. Farblich sah ich ihn nun in einem starken Grünton und die schlauchartigen Strukturen innerhalb des zentralen Ovals kamen hinzu; davon abgesehen waren die Ansen klar und problemlos. Anschließend ging es zu M 15, aber nicht wegen M 15, sondern wegen des darin enthaltenen PN Pease 1. Ich erinnerte mich an eine Nacht auf der Schönebecker Sternwarte vor wenigen Jahren, wo wir dieses Ziel mal mit 10 Zoll versuchten... Freilich keine Chance. Und auch jetzt war es nicht unbedingt einfach. Mithilfe der angelegten lustigen Beobachungsweste samt hilfreicher Riesenkapuze, exzessivem Filterblink und Uwes Beschreibungen ließ sich tatsächlich ein kleiner Klumpen ausmachen, der bei Filtereinsatz aus dem Gewimmel aufleuchtete. Zunächst sehr schwer, aber bei genauer Ortkenntnis gut machbar. Der Versuch im eigenen 16-Zöller war ebenfalls erfolgreich und sogar noch einfacher, da hier weniger Sterne das Herauslösen des PN irritieren konnten.
Daran anschließend bemühte ich wieder meine Aufsuchkarten, die langsam klamm wurden. Ein wenig Feuchte lag in der Luft. Die Reise ging in das Pegasus-Viereck zu NGC 7678, die ich mit dem Vermerk „Zeichnen!“ versehen hatte. Die Galaxie lag direkt eingebettet in ein gleichschenkliges Dreieck und zeigte sich als ein auffälliger, runder Nebel mit feinem stellaren Kern und einem andeutungsweise abgetrennten „Wisch“. Die westliche Hälfte schien geringfügig heller.
01:20 Uhr verabschiedete sich Frank auch schon wieder und fuhr vom Gletscher hinunter. Ich selber durchlief gerade ein kleines Tief, da ich meine Ziele in der Andromeda, südlich von Mirach, einfach nicht fand. Die Ausdrucke narrten mich, denn dort waren große, helle Sterne verzeichnet, die ich zum Aufsuchen nutzen wollte, doch diese Muster ließen sich in der Realität nicht aufspüren. Ich verstand die Welt nicht mehr. Steh ich jetzt völlig auf dem Schlauch? Bevor ich noch mehr Zeit damit vertrödelte, die Formationen NICHT zu finden, wandte ich mich wieder der Peripherie von NGC 891 zu. Da wurde ich gestern ja nicht fertig.
Tja. Die 15,7-mag-Galaxie PGC 9312 war der Motivation zunächst nicht sonderlich dienlich, denn das Teil war ein schweres Objekt und kaum sichtbar. „Nur eine diffuse, grenzwertige Wolke“, notierte ich.
Östlich davon waren drei Galaxien hingegen gut zu sehen, die in einer geraden Linie aufgereiht waren. Die nördlichste von ihnen, PGC 9357 mit 15,2 mag, befand sich direkt neben einem helleren Feldstern, ließ sich aber gut von ihm trennen. Sie war ein kleines, kompaktes Bällchen mit nahezu stellarem Eindruck. In der Mitte des Trios stand NGC 923 mit 14,5 mag; rund-ovale Form, kein Kern, nur mäßig helles Zentralgebiet. Den südlichen Abschluss bildete PGC 9348, deren Helligkeit zwar mit 15,7 mag angegeben ist, aber eine ähnliche Erscheinung wie NGC 923 aufwies... Ähnliche Ausdehnung und ebenso diffus, lediglich einen Hauch schwächer.
PGC 9301 lag an der Seite eines auffälligen dreieckigen Sternmusters. Das problemlose Wölkchen 15. Größe zeigte bei indirektem Sehen ein relativ helles Zentrum und eine rund-ovale, schwammige Gestalt. Etwas lichtschwächer kam die 8' südlicher gelegene PGC 9307 daher, die ebenfalls leicht oval erschien, allerdings eine homogene, strukturlose Fläche blieb.
Jaaawoll, endlich fertig mit dieser Ansammlung schwacher Mini-Flusen! Die Aufsuchkarte sah aus wie ein Schlachtfeld voller durchgestrichener Galaxienlabels. Ich versuchte es im Anschluss noch einmal mit der Gegend bei Mirach, ging aber von einem anderen Startpunkt los und hatte Erfolg beim Finden von Hickson 10. Diese „kompakte Galaxiengruppe“ war allerdings gar nicht soo kompakt wie andere ihrer Artgenossen. Zunächst hielt ich den hellen Nebel von NGC 536 für den dichtstehenden Knäuel mehrerer Galaxien, bis ich feststellte, dass außerhalb des Gesichtsfeldes ja noch weitere Nebel zu sehen waren... oh... Eine überraschend weitläufige Hickson-Gruppe.
Die Uhr sagte 02:15, und irgendjemand ging an mir vorbei und den Weg zum See hinauf. Jupiter war schon lange aufgegangen und stand über dem Kiesberg im Osten. Und auch der nördliche Orion quälte sich Stück für Stück über die fernen, dunklen Gipfel. Eine tolle Nacht, trotz einiger Problemchen. Das kontinuierliche leise Bachrauschen - uraltes Gletscherwasser, das nach langer Zeit seinen Weg hinab ins Tal findet - wurde als stetiges Hintergrundgeräusch meistens ausgeblendet und kam mir erst dann in den Sinn, wenn ich eine kurze Zäsur einlege. Es war sehr mild, aber kurzzeitig frischte ein Wind auf, der meine Zettelei durcheinander brachte und die Seiten des Beobachtungsbuches flattern ließ.
Ein halbes Grad südöstlich von Hickson 10 befand sich die 13,9 mag helle Galaxie NGC 561, die mir erstaunlich flau erschien. Zwar durchgängig haltbar, aber sehr unauffällig. Rund geformt mit zentraler Helligkeitszunahme und einem faden stellaren Kern.
Martin rief nach Kaffee und meine Handschuhe gingen mir auf die Nerven. Es ging nun 40' in südwestliche Richtung, wo sich NGC 527 herumtrieb. Eine Galaxie länglicher Gestalt, 1:3,5 und in N-S-Lage. Bei 200x löste sich, parallel zur Hauptachse, knapp westlich gelegen, die kleine Begleiterin NGC 527 B heraus, und zeigte sich als wesentlich flaueres, längliches Nebelchen mit gleichbleibender Helligkeit auf der gesamten Fläche.
Während ich mir an der nächsten Suche wieder die Zähne ausbiss, riefen Ronald und Costa meinen Namen, weil man etwas Interessantes im Okular hatte, was mich erfreulicherweise auch von meinem Kriegsspiel ablenkte. Im 20-Zöller war ein geostationärer Satellit eingestellt, den Ronald zufällig gefunden hatte. Man sah einen blinkenden, statischen Punkt, während die Hintergrundsterne durchs Gesichtfeld wanderten. Schöner Anblick!
Meine tristen Such-Versuche nahm ich wieder auf, hatte mit NGC 591 aber doch noch Erfolg. Mit 13,9 mag recht einfach; runde Gestalt mit einem hellen, länglichen Interieur, wo sich bei indirektem Sehen ein stellarer Kern herausschälte. Eyecatcher war der Vordergrundstern, der sich in nordwestlicher Richtung befand. Gleich daneben - ohne große Sucherei - stand NGC 587, die sich oval-langgestreckt (1:2,5) zeigte, aber blickweise auch runder wirkte. Ein Nucleus war nicht zu finden.
03:15 Uhr hielt ich das SQM-L wieder in die Höhe, das einen gemittelten Wert von 21,65 ausgab. Ja, auch mit freiem Auge waren die Bedingungen richtig gut. Das Zodiakalband war im Bereich des Stieres, knapp über den Hyaden, überdeutlich, und kreuzte Richtung Osten bald den „leuchtenden“ Streifen der breiten Wintermilchstraße. Es herrschte eine seelige Ruhe, der Wind hatte wieder vollständig abgeflaut... Ach, ist das schön hier. Man muss jeden Moment genießen, denn früh genug geht es wieder nach Hause und der Alltag kehrt zurück. Da spielen Müdigkeit, Kälte oder mangelnde Motivation (was alles drei eh nicht der Fall war) auch keine Rolle mehr, und allein der fantastische Anblick des aufsteigenden Winterhimmels mit den strahlenden Orion, Stier, Fuhrmann & Co. sollte Motivation genug sein.
Trotzdem ging der Alpen-Such-Krimi in die nächste Runde und ich klagte dem kurz vorbeischauenden Uwe G. mein Leid wegen der missratenden Karte. Er hatte ein ähnlich geartetes Problem, konnte dafür ein Galaxienpärchen in meinem 16-Zöller ansehen. NGC 579 mit 13,9 mag und NGC 582 mit 14,1 mag befanden sich am Grenzeck der Sternbilder Dreieck, Andromeda und Fische. Die nördliche der beiden, 579, war von runder, nur leicht ovaler Gestalt und lief sanft in den Hintergrund aus. Die Galaxienmitte wies keinen Nucleus auf und nahm nur geringfügig an Helligkeit zu. Ihr Compagnon, NGC 582, war dagegen ein langer, NO-SW-gekippter Nebelbarren, 1:3,5, und ebenfalls ohne Kern. An der Westspitze befand sich ein Vordergrundstern. Schöner Kontrast!
Ein kleiner Kälteschauer überkam mich und ich lief ein Stückchen den Weg zum Stausee hinauf. Hinter einer Kehre konnte ich auf die Beobachter hinabblicken, die mit roten Lampen und schwachen Displays umherwuselten. Außerdem stand im Südosten der große Orion in voller Pracht, dessen Sterne blinkten, da das Seeing sich verschlechtert hatte. Die beiden zugestoßenen Leute hatten sich inzwischen auch wieder auf den Rückweg gemacht, sodass noch mehr Ruhe auf dem Tiefenbach-Plateau einkehrte. Das gewaltige Eismassiv leuchtete matt in der dunklen Umgebung; überall waren die Spuren des starken Wintertourismus zu sehen. Als ich wieder zum Dobson zurückkehrte, ärgerte ich mich über das extrem durchgeweichte Papier, das unten auf der Picknickdecke lag. Die Bodenfeuchte muss sehr hoch gewesen sein. Die Aufsuchkarten zerfielen allmählich in ihre Einzelteile und ließen sich kaum mehr gescheit halten, da sie sich stets umbogen.
Die Gegend um Alpha And bescherte mir etwas mehr Aufsuchfreuden und UGC 102, ein 14,5-mag-Wölkchen, ließ sich einfach aufspüren. Im 14er präsentierte sich ein recht großer, fader, rundgeformter Nebel mit einem markanten Kern. Ansonsten keine Details; die Ränder liefen diffus aus.
Von dort aus ging der Schwenk etwas weiter nördlich, wo sich mein letztes Objekt der Nacht aufhielt. NGC 7819 war sehr grenzwärtig, trotz der moderaten Helligkeit von 14,2 mag. Erst nach längerem Hinsehen tauchte an der entsprechenden Stelle ein oval-rundes Etwas auf, das allerdings nicht durchgängig haltbar war.
04:20 Uhr, sagte die Zeit. Im Osten ragte das spitze Zodiakallicht steil empor und sah ähnlich aus wie der helle Lichtkegel einer Großstadt. Ronald beschrieb es passend als „wie aus dem Bilderbuch“. Die dort enthaltenen schwächeren Sterne wurden vollständig verschluckt und auch der Mars schaute etwas traurig aus der Wäsche. Ich hatte einen Großteil der Kältesachen wieder ausgezogen, denn mir war warm und die Handschuhe störten mehr, als dass sie halfen. Es wären noch Beobachtungen möglich gewesen, doch, Zitat aus dem Buch: „Ich krieg die Krise mit den scheiß Karten!“
Stattdessen lungerte ich bei den Anderen herum. In Ronalds 20-Zöller wurde gerade Komet ISON eingestellt, der sich bei einer markanten, hellen Kette aus drei Sternen aufhielt. Auch der Schweif und dessen Richtung war nach ausreichendem Studium gut zu erkennen, was sich durch Uwes Aufnahme am Deltagraphen bestätigte. Es war 04:30 Uhr, als Costa abfuhr. Man ließ es nur noch ruhig angehen; im 27-Zöller wurde ISON ebenfalls eingestellt und ein paar Paradeobjekte zum Ausklang angefahren. Im Westen tauchte der letzte Rest der Sommermilchstraße in den Bergkamm der Schwarzen Schneid ein, und im Osten kündigte ein heller Streifen entlang des Horizonts die einsetzende Dämmerung an. Die Zodiakalpyramide wurde immer mehr verschluckt, ehe sie gänzlich mit dem dunkelblauen Himmel verschmolz. Ich hatte angefangen, abzubauen und einzupacken, und das monumentale „Echoes“, gespielt von der Pink-Floyd-Coverband Aussie Floyd, ließ mich mal wieder erschaudern. Schade, dass es schon wieder vorbei war... Wieso können diese wunderbaren Nächte auf dem Tiefenbach nicht ewig andauern?
Na gut, okay, es ist schon besser so, denn die Müdigkeit ließ sich nicht mehr lange unterdrücken. Solche Arbeitsnächte fordern irgendwann ihren Tribut, und wir alle ahnten schon, dass es sich nicht viel Schlaf ausgehen würde. Uwe Glahn wollte sogar gleich wieder die Heimreise antreten. Ronald fuhr als nächstes zurück ins Tal, während rings um mich herum fleißig abgebaut wurde. Ich selber war mit der Kamera zugange und ließ sie selbstständig alle 30 Sekunden den sich aufhellenden Osthimmel festhalten.
Irgendwann gegen 06:00 Uhr war unser Auto fertig gepackt und startklar. Wir verabschiedeten uns von Uwe, wünschten eine gute Fahrt und besprachen mit Martin die Planung fürs Frühstück, ehe auch wir losfuhren. Mit 5°C hatten wir wieder eine angenehme und exzellente Nacht, wie man sie selten erlebt - zu selten, jedenfalls für jene, die in den Niederungen des Sachsen-Anhaltinischen Flachlandes wohnen. Aber von solchen Erlebnissen wie diesen zehrt man das ganze Jahr über, obschon es schwerfällt, irgendwann wieder unter heimischen Himmel aufzubauen.
Ein Beobachtungsbericht von AKE
Zwieselstein, 05.09.2013