03.03.2025 - Kurzprogramm

Eigentlich kann ich es mir zeitlich gar nicht erlauben, Beobachtungsberichte zu tippen oder Zeichnungen aufzubereiten, aber da die Wüstenbüsche schon über meine Homepage rollen, werde ich mich doch mal wieder bequemen. 
Kurz vor Zwei Uhr betrete ich die große Bühne der Nacht und stelle schnellstmöglich Beobachtungsbereitschaft her. Es ist kalt, aber gefühlt ganz angenehm; später sehe ich -5°C im Auto aufleuchten. Der Himmel sieht unerwartet gut aus. Die Transparenz scheint zu stimmen, denn trotz der allgegenwärtigen Lichtglocken überzeugt mich die Grenzgröße und das Seeing macht auch eine ganz manierliche Figur. Unschön hingegen: Der leichte, aber eisige Wind, der penetrant in jede Schwachstelle in der Kleidung einsickert. Und die Luftfeuchte ist relativ hoch; alle Oberflächen erhalten innerhalb kurzer Zeit einen dünnen Feuchte-Film, der an exponierter Luft auch gefriert.
Es gibt ein Kurzprogramm zu absolvieren: Nur vier Objekte stehen auf der Liste, die es mir allerdings nicht ganz leicht machen sollen. Es beginnt mit
NGC 5557 aus der Kategorie "Freu dich nicht zu früh". Die Galaxie ist in erster Linie einfach nur hell und hüpft im Okular sofort heraus wie der Springteufel aus der Kiste, gibt aber hinsichtlich ihrer Struktur so ziemlich gar nichts her. Ein runder, hart umrissener Ball ohne jegliche Details, wenn man von dem stellaren Kern im Inneren mal absieht. Der Grund, warum man sich sowas trotzdem anguckt, ist das 15mag schwache Vordergrundsternchen südöstlich des hellen Kerns. Der Abstand zu ihm ist groß genug, dass eine Trennung relativ leicht gelingt, es liegt aber noch innerhalb des Galaxienhalos. Aufm DSS ist es natürlich ein leichtes Objekt; am Okular geht die ganze Sache zwar etwas dezenter vonstatten, aber eine möglichst hohe Vergrößerung hilft ungemein und macht die Sichtung dann doch relativ easy. Das winzige, schwache Sternchen zeigt sich sicher an der korrekten Position; wenn ein unruhiges Luftpaket durchzieht, verschmiert es aber auch schnell und löst sich in Wohlgefallen auf. Im direkten Vergleich mit dem Kern ist es wesentlich schwächer. Mein Fazit: Nette Kombination!

Das nächste Objekt ist der Kategorie "Mehr Schein als Sein" entnommen. NGC 5571. Die DSS-Maske bezieht standardmäßig ihre Daten von SIMBAD, und da scheint es wieder mal irgendwelche Spielereien an der Nomenklatur gegeben zu haben, wie schon so oft in den letzten Jährchen. Ich stelle mir immer vor, wie die alteingesessenen Projektbeteiligten irgendeinen 17-jährigen, übereifrigen Praktikanten beschäftigen müssen, ihn vor die allwissende Objektdatenbank setzen und ihm auftragen, sich mal neue Bezeichnungen oder lustige Unterkategorien für das bereits Geschaffene auszudenken, bevor er noch auf andere dumme Gedanken kommt und sich mitm Smartphone im Klo einschließt. Früher gab es für solche Katalogfehler, Irrläufer etc. die Bezeichnung "non-existent"; dann hießen sie einfach "other" und nun steht da allen Ernstes "Blend". Blend! Was soll das sein? Blender-Objekte? "Angeber, Aufschneider, Bluffer, Maulheld, Betrüger, Hochstapler, Schwindler"? Ich verstehe den Gedanken dahinter, finde ihn irgendwo auch ein wenig amüsant, aber man hätte es wirklich auch bei "Other" lassen können. Aber zugegeben, "Bluff" hätte auch seinen Charme. Vielleicht kann man Vorschläge hinschicken, wenn der nächste Praktikant wieder randarf. Aber egal jetzt... NGC 5571 wird einer kleinen, schwachen, vierköpfigen Sterngruppe zugeordnet, die in der Zielregion verortet ist - selbst der Begriff "Asterismus" ist zu hoch gegriffen dafür, denn eigentlich ist das wirklich gar nichts. Mich interessiert aber vielmehr die niedliche Galaxie daneben, die als NGC 5567 katalogisiert ist, und - im Gegensatz zu dem Maulheld-Asterismus - gar nicht im DSA verzeichnet ist. Ansonsten müsste ich mich gar nicht so an der Blend-Sache hochziehen. Bei hoher Vergrößerung ist der >14mag helle Krümel einfach zu sehen und als non-stellarer Nebelfleck zu identifizieren. Mich interessiert auch die Sichtbarkeit der beiden unmittelbar südlich liegenden Vordergrundsterne. Der südlichere von beiden ist leicht, der mittlere jedoch will sich nicht mal im Ansatz zu erkennen geben. Dabei sieht der aufm DSS genauso hell aus wie der andere. Das liegt daran, dass es gar kein Sternchen ist, sondern ebenfalls eine Galaxie (PGC 3560099 mit einer nicht ergründbaren Helligkeit), was ich erst in der Nachrecherche lese. Also auch so ein Schwindler. Die NGC 5571-Sterngruppe schimmerte im östlichen Nebenfeld heraus; wegen der netten verschobenen Trapezform recht eingängig, insgesamt aber wenig interessant.

Bis hierhin war es mir eine pure Freude, und die sollte sich natürlich fortsetzen. Aus der Kategorie "Gruppen-Spaß" wählte ich NGC 5614 & Co, die in Übersichtsvergrößerung leichter zu sehen sind als zunächst befürchtet. Die zentrale Hauptgalaxie dominiert natürlich den Anblick: Hell, kräftiger stellarer Kern, rund, Grenzen diffus auslaufend, keine Details. Die beiden Begleit-Galaxien NGC 5613 und 5615 sind hingegen nicht ganz so leicht. Das weiter entfernte Objekt im Norden, NGC 5613, zeigte sich nach etwas Einsehen immer wieder an der entsprechenden Position, blieb dem Sehnerv aber nicht durchgängig erhalten und verwischte häufig im Hintergrund. Es war eh kaum mehr als ein diffuser kleiner Tupfen. NGC 5615, die direkt an NGC 5614 klebte, ordnete sich nochmal eine Schwierigkeitsklasse höher ein und ich habe dieses winzige Dings eher vermutet als gesehen. "Eingebildet" trifft es sogar noch besser. Eine knotenartige Aufhellung innerhalb des Halos, 25" vom Kern weg, hätte es sein sollen; ich halte danach Ausschau, doch was ich mir da zu sehen einbilde, sieht bei weitem nicht so kontrastreich aus wie es der DSS suggeriert.

Die Luftfeuchte ist hoch; alles Papier ist nach der kurzen Zeit schon sehr klamm und weich. Ich habe während der Beobachtung den zweiten Becher Kaffee ausgetrunken und mir noch was angezogen, denn der Wind ist erbarmungslos. Man kann sich hier in der Gegend hinstellen wo man will - die dämliche Autobahn hört man immer. Irgendeine topografische Absonderlichkeit in dieser Richtung sorgt dafür, dass die Autogeräusche abrupt gedämpft bzw. lauter werden, je nach Fahrtrichtung. Seeing ist ganz gut, die Sternabbildung bei hoher Vergrößerung macht Spaß. Netter Himmel. Hätte ich nicht erwartet.
Das letzte Objekt auf dem Kurzprogramm ist in der Kategorie "Kombi mit Karbonstern" verortet; ein Zufallsfund, den ich im Zuge von Recherchen am Vortag gemacht habe.
UGC 8736 befindet sich direkt neben R CVn, aber bevor ich den Anblick im Okular genießen kann, muss ich mich erstmal da hinhangeln, was wegen verwirrender Sternformationen etwas schwerer fällt. Darüber hinaus wuseln in der Nähe zig weitere Galaxien rum, die mich ablenken. Und überdies ist der Karbonstern nicht so rot wie erwartet und sticht erst bei 192x so richtig und v.a. eindeutig raus. Auch dann erst schimmert die Galaxie hervor, aber tatsächlich einfacher als befürchtet. Ein ovaler, homogener, geisterhafter Nebel ohne Details. Von dem, was es potentiell zu sehen gibt, ist es das leichteste Objekt auf der kurzen Liste.

Weil es noch nicht Vier Uhr ist (= noch ein bisschen Zeit) und das Seeing ein paar gute Momente hat, unternehme ich meinen jährlichen Versuch an 44 Boo. Leider keine Chance, nicht mal im Ansatz. Dafür war das Seeing dann doch zu schlecht und die paar ruhigen Sekundenbruchteile genügen nicht. Der arme Stern schmierte einfach munter vor sich hin. Der Zentralsterntest an M 57 war dagegen erfolgreicher: Zwar nur sehr schüchtern, aber reproduzierbar; alle paar Sekunden blinzelte das schwache Sternchen aus dem dunklen Loch hervor. 
Ich wische die Oberflächen trocken und räume ein. Ein netter kleiner Beobachtungseinsatz mit interessanten Objekten. Weil die nächsten Nächte auch klar zu werden drohen, muss ich nochmal den Atlas konsultieren und ein paar ähnlich erfreuliche Ziele heraussuchen, sofern es Zeitbudget und Krankenstand erlauben.

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