11.09.2023 - Kaffee am Morgen

Wecker klingelt um 3. In freudiger Erwartung, mich gemütlich mitm Tablet aufs Sofa zu knüllen und in Ruhe zu lesen, machte ich die Kaffeemaschine an und beging den Fehler, dann aus dem Fenster zu schauen und mich von Jupiter beleuchten zu lassen. Planänderung... Während der Kaffee durchlief, zog ich mir lange Sachen und Schuhe an, füllte danach das heiße, duftende Gebräu in die Thermosflasche um und packte meinen Zubehör-Korb, um in den Garten zu stapfen. Unterm Sternenhimmel schmeckt der Kaffee bekanntermaßen eh am besten.


Im Osten war die Mondsichel aufgegangen, störte aber nicht weiter. Auf dem taunassen Gras richtete ich meinen Arbeitsplatz ein und freute mich über den schönen klaren Winterhimmel. Da ich Beobachtungen und Zeichnungen für die nächste Deep-Sky-Tour im Astromagazin noch gut gebrauchen konnte, kam mir die Gelegenheit sehr entgegen, denn da ging es um die Zwillinge und an diesem Montag war schon Redaktionsschluss. Und ich war mal wieder spät dran. Natürlich waren die Wolkenprognosen im Vorfeld mehr als eindeutig, wie seit einer Woche schon, aber wie es früh morgens um die liebe Motivation bestellt ist, das weiß man ja nie. Der bedauernswerte Zustand der Nasen-Nebenhöhlen tat sein Übriges. Aber ich fühlte mich eigentlich ganz fit. Dem Igel, der wieder seine Runden im Garten drehte, ging es wahrscheinlich schlechter: Ständiges Gejucke und Gekratze des stacheligen Fells.

Die erste Tasse Kaffee wurde vernichtet und ich suchte den hellen Doppelstern Pi Ari auf, den ich für die letzte DS-Tour schon beschrieben hatte - eine eigene Zeichnung stand aber noch aus. Das Doppel ließ sich einfach trennen und zeigte einen ordentlichen Helligkeitsunterschied, allerdings keine Farbe. Bunt wurde es aber ein Stück weiter westlich mit T Ari: Mit der Spektralklasse M leuchtete der Veränderliche in sattem Orange und war bei 138x noch knapp mit Pi Ari im Gesichtsfeld erkennbar. Gleich daneben, auch noch im Gesichtsfeld, befand sich mit DoDz 1 ein großer Asterismus mit einigen hellen Sternen, die sich lose wie ein verformtes T anordneten. Einer der Sterne schien auch gelblich zu sein. Das Muster hatte ich vor Urzeiten auch schon mal gezeichnet, aber nicht im Kontext mit den stellaren Nachbarn.

Während der Zeichnung waren die Zwillinge wieder ein Stück hochgewandert, sodass M 35 und NGC 2158 bequem mit dem Dobson erreichbar waren. Was soll man dazu sagen... Einfach schön! Mein Augenmerk lag aber hauptsächlich auf die Sternhaufen in der Umgebung. Am besten präsentierte sich IC 2157, der wirklich wie ein richtiger Haufen aussah und heller und markanter erschien als der benachbarte IC 2156. Der blieb zwar als Verdichtung erkennbar, allerdings recht locker und unspektakulär. Auf der anderen Seite, nordöstlich von M 35, war Koposov 63 verzeichnet. Ich hatte eine grobe Vermutung, wo der sich befinden könnte, muss das nach Abgleich der Skizze mit dem DSS allerdings als eine Fehlbeobachtung verbuchen. Was ich da skizziert hatte, war eine formschöne enge Verdichtung weniger Sterne innerhalb des großen, spitzen, markanten Dreiecks; Kp 63 lag jedoch außerhalb davon.


An dem blöden Koposov 63 wollte ich mich eigentlich gar nicht so lang aufhalten, aber wie das bei unklaren Sachen nun mal so ist... Der Igel striff dicht am Teleskop vorbei und juckte sich. Das Papier begann, klamm zu werden; bei einer Luftfeuchte von knapp 100% aber auch kein Wunder.

NGC 2129 steht ganz in der Nähe von M 35 und war in der Übersicht gut erkennbar, aber eher unscheinbar. Bei höherer Vergrößerung änderte sich das Bild aber und der Haufen löste sich bequem auf. Es dominierten zwei helle Sterne, die das Objekt in zwei jeweils längliche Hälften aufteilten. Der Anblick erinnerte mich an dieses eine Musikinstrument... Tusch? Oder wie heißt das? Diese Blechplatten, die man aufeinanderschlägt, v.a. in der Karnevalszeit bei diesen bescheuerten Büttenreden. Wie auch immer. Einer der Mitglieder schimmerte rötlich.

Nachtrag: Das Musikinstrument nennt sich "Becken".

Von Propus aus ging es nicht nur zu einem kurzen Schwenk auf 6 Gem, der zwar hell und satt orange leuchtete, mich aber auch nicht vom Hocker haute, sondern auch auf die Suche nach Kronberger 12. Auch hier hatte ich eine Vermutung und machte davon eine Skizze, lag aber noch mehr daneben als bei Kp 63 zuvor. Viel zu schwach, das Teil, jedenfalls für diese Bedingungen. Propus selbst leuchtete gar nicht so hell und störend, wie ich zunächst befürchtet hatte; der Stern war warm goldgelb.


04:30 Uhr, ich machte ein paar Fotos und trank Kaffee. Herrlich. Besser kann ein Tag gar nicht starten. Die Wintermilchstraße schimmerte blass heraus und verschmolz im Osten mit dem Mondlicht.

Auf große Schwenks in andere Regionen hatte ich keine Lust mehr und schaute, was der Atlas in der Umgebung noch hergab - das war mir alles noch nützlich am Tag des Redaktionsschlusses. Und so stieß ich auf zwei direkt nebeneinander liegende Doppelsterne: Σ 889 und OΣΣ 74. Wow! Schon in der Übersicht waren beide gut getrennt und zeigten Farbe. Der östliche OΣΣ 74 stand etwas weiter auseinander; A in weißgelb und B eher farblos, maximal graubläulich. Viel schöner fand ich aber Σ 889, da die Komponenten dichter und farbintensiver waren. Der Helligkeitsunterschied war ebenfalls größer. A leuchtete in einem hellen Orange und der schwächere B sogar rötlich-violett, was den Gesamtanblick irgendwie "warm" machte. Angenehme Farben. Das unmittelbare Umfeld beider Doppelsterne war gespickt mit lauter schwächeren Sternchen. Stelle doppie schreibt was von "Triple System", gleichzeitig aber auch "this double is not physical". Keine Ahnung; in die Thematik muss ich mich erstmal reinfuchsen.

Letzter Blick vor dem Abbau ging zu den Plejaden, und nebenbei ließ ich das Smartphone ein bisschen arbeiten. Die Venus war nämlich auch schon aufgegangen und stand unter der Mondsichel und ihrem aschgrauen Licht. So ein netter Morgenhimmel. Der Kaffee war ausgetrunken, das Papier klatschnass und der Igel hatte sich auch wieder verzogen. Aber nicht in den Komposthaufen; das hätte ich gehört. Und nach diesen anderthalb Stunden Gartenspaß war auch ich wieder in der Wohnung verschwunden.

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