Selbe Konstellation wie am Tag zuvor, wenn auch ein paar Zirren am Himmel zu sehen waren, was die ganze Angelegenheit etwas vage gestaltete. Zu zweit bauten wir den Dobson auf (großer Spaß!), entdeckten die ersten hellen Sterne am Dämmerungshimmel (Vega, Capella, ein Klacks!) und dann ging es wieder ins Bettchen. Auch wenn ich dem Kind gerne noch mehr gezeigt hätte, aber wer schlafen muss, muss schlafen. Um 21 Uhr konnte ich mich dann wieder davonstehlen und machte mich über die ersten Objekte her. Die Transparenz war erneut sehr gut, da die paar Zirren kontinuierlich davonschwebten, und ein Bolide zischte von Cassiopeia hinüber in Ursa Minor.
Zirpende Grillen, milde Temperaturen, der majestätische Schwan in der Nacht. Spätsommer kann so unglaublich schön sein. Es ging zu
U Cygni, und damit hatte ich schon den ersten Mega-Kracher im Okular. Schaurig-schöner Kohlenstoffstern, der wie ein funkelnder Bluttropfen am schwarzen Nachthimmel glimmt. Das Teil war einfach nur rot und schien überhaupt keinen Weißanteil aufzuweisen. Was für ein surrealer, unglaublicher Anblick. Der benachbarte helle Stern leuchtete ebenfalls in einem dezent gelblichen Farbton. Das ist eine Kombi, die man eigentlich jedem Hobby-Astro ins Beobachtungs-1x1 schreiben müsste - mindestens genauso eindrücklich wie M 42 und Konsorten. Mindestens.
Die Maisernte ist im vollen Gange und so polterten die schweren Traktoren lautstark durchs Dorf. Aus der Holzhütte ertönte wieder lauter, bellender Husten, aber der Schlaf war zumindest noch safe.
Basel 12, ebenfalls im Schwan, skizzierte ich eigentlich nur, um sicherzugehen, dass ich den Haufen auch wirklich an der entsprechenden Stelle korrekt verortet habe. Unscheinbar bei 200x. Südlich des orangenen, hellen Stern identifizierte ich neblig-klumpige Bereiche bzw. ganz enge, ganz schwache Gruppen. Bei indirektem Sehen diffuser. Kein richtiger Haufencharakter und nichts, was man unbedingt gesehen haben muss.
Unter dieser irre klaren Milchstraße, die deutlich und strukturiert bis in die Bäume hinabreichte, schwenkte ich zu einem viel angepriesenen Doppelstern im Pfeil:
Holden 84. Die Lobeshymnen weckten hohe Erwartungen, die aber auch nicht enttäuscht wurden. Locker getrennt und sehr bunt. Komponente A strahlte in einem hellen Orange, während sich der schwächere B eisblau-violett präsentierte. Super schön, eindrucksvoller Kontrast!
Dann zu
V Aql, einem Kohlenstoffstern, der schon im Sucher wegen der roten Farbe auffiel. In der Übersicht zeigte er sich tief orange. Mehr gibts dazu eigentlich auch nicht zu sagen.
15 Aql war bei 56x locker getrennt. Die hellere Komponente A zeigte sich orangegelb; B mehr orange.
V 337 war im Atlas als veränderlicher Stern dargestellt, und die Wahrscheinlichkeit, dass das konkrete Objekt dann rötlich ist, ist relativ hoch. Das Ding aber war nicht besonders markant. Östlich davon schimmerte etwas schwächeres in rötlichem Ton heraus, was ich allerdings rückblickend nicht mehr nachvollziehen kann. Egal. Alya im Sternbild Schlange war ebenfalls als Doppelstern vermerkt. Dieses schöne Sternfeld beherbergt den hellen Doppelstern, der gut getrennt war; beide Komponenten waren annähernd gleich hell und zeigten einen rein weißen Farbton. Dann kam 5 Ser, den ich aber langweilig fand. Gut getrennt, großer Helligkeitsunterschied, weiß und grau. Der Sprung in die Schild-Region (so tief wage ich mich selten bei diesen Bedingungen) brachte mich zu R Sct, der neben dem mordsmäßigen M 11 steht; der Stern war hell, aber nur orange. Naja. Basel 1 war ein Offener Haufen, der mich wiederum etwas überraschte. Sternreich, dreieckig; zwei parallele, rechtwinklige Ketten (eine heller, eine schwächer) prägten den Anblick.
Neben dem Pflaumenbaum kauerte etwas Kleines auf dem Boden und bewegte sich geräuschvoll über den Rasen - der Igel war wieder da. Eine nette Überraschung war
S Sct. Der Stern zeigte sich nicht nur schön rötlich, sondern bildete auch die westliche Ecke eines größeren, dreieckigen Musters.
Blick zu V 822 und D 20, wo ich die schriftliche Zuordnung im Atlas nicht so ganz durchblickte… Keine Ahnung, was da was ist. Egal. Da war ein Doppelstern, den ich nicht soo doll fand, mit einem großen Helligkeitsgefälle zwischen A und B und einem farblosen Gewand. Der nördliche Nachbarstern zeigte sich hingegen mit etwas orange.
V Aqr präsentierte sich bei 138x nicht besonders hell, aber deutlich gerötet.
23:20 Uhr; auf meinen Wunsch hin wurde mir eine Flasche Wasser herausgebracht - Beobachten macht durstig und der kratzige Hals wurde damit etwas gelindert. In nördlicher Richtung war vermehrt irgendein nerviges Geböller zu vernehmen und vom fernen Nachbardorf wehte dumpfe, undeutliche Partymusik herüber.
Epsilon Equ, der nächste Doppelstern... Das ging hier wie's Brezelbacken. Wenn ich die Symbolik im isDSA korrekt deute, könnte das sogar ein Dreifachsystem sein. Zunächst erblickte ich eine gelbweiße A-Komponente und einen farblosen B. Eng zusammen, aber gut getrennt. Wo soll da noch ein dritter Stern sein?
Allmählich schlich ich in die Bereiche des Herbststernhimmels hinein; bei der Objektplanung kamen mir Christians Doppelsterntipps im Forum gerade recht.
NGC 7193 hatte ich mir im Vorfeld aber auch noch notiert - ein Asterismus im Pegasus. Nun ja, der sah aufm DSS schon nicht so spannend aus, und im Okular leider auch nicht. Bei 56x eine langgezogene, lose verstreute Sternengruppe, die als zusammenhängende Formation erkennbar war, aber keinen Haufencharakter zeigte. Bei 138x zählte ich ca. 15 Mitglieder; mein Bemühen, irgendeine markige Bezeichnung für die Form zu finden, ging komplett in die Hose. "Pfeilspitze" notierte ich, aber das trifft's eigentlich nicht. Naja.
Im Atlas waren mit RS und Y Peg zwei Veränderliche gleich nebeneinander eingetragen. Bei 138x zeigte sich RS Peg viel röter, heller und allgemein viel besser erkennbar, während Y Peg rumschwächelte und dessen rötlicher Farbton nur erahnbar war - ein blasses Graurot.
Es war fast Mitternacht. Die Party im Nachbardorf ging richtig ab; ein monströser Böller explodierte und hallte überall an den Wänden nach. Inzwischen hatte ich die nächste Seite im Beobachtungsbuch aufgeschlagen und war ganz froh, denn auf der Vorderseite musste ich ständig auf die exponierte Notiz „der Auerhahn, der Auerhahn“ blicken, was zuverlässig diesen einen Ohrwurm wieder hervorrief.
STF 2877 im Pegasus wartete auf Besuch. Bei 200x: Schick, easy getrennt. A orangefarben und B graublau, evtl. sogar ein bisschen lilastichig.
STF 2908 war nicht sooo spektakulär – ein enges Pärchen in glanzlosem orangegelb und grau. Interessant war aber die Nähe zu der Galaxie NGC 7290, die sich als diffuser, ovaler Fleck südlich des Doppelsterns absetzte.
Einzige Notiz zu STF 2841: „orange – graublau“.
Bei STF 3039 machte sich die erste Doppelsternübersättigung bemerkbar: „die sehen sich jetzt alle irgendwie ähnlich“. Eine warm-orangene Hauptkomponente, flankiert vom schwächeren, graublauen Begleiter – von den eben gesehenen Doppeln dieses Phänotyps gefiel mir dieser Farbeindruck am besten. Das Sternfeld war relativ arm.
Es ist schon cool, wenn man richtig im Flow ist und man sich völlig easy von einem Ziel zum nächsten hangelt. Um halb Eins machte ich einen kurzen Kontrollblick in die Gartenhütte. Nach wie vor böllerte es ständig im Nachbardorf und die Musik wollte auch nicht verstummen. Trotz der zunehmenden Kühle summten immer wieder Mücken an den Ohren vorbei, was nicht weniger nervte als die Böller. Allmählich baute ich mental ab – die vielen orangeblauen oder blauorangenen Doppelsterne mit ähnlich klingenden Nummern, die ich schon wieder vergaß, sobald ich mich nur vom Atlas abwandte, machten mich ganz gaga in der Birne. Der Igel juckte sich lautstark, ehe er seinen Weg zum Komposthaufen antrat und sich durch die vielen matschigen Birnen und Äpfel wühlte. Eine regelrechte Fressorgie brach da aus; so ein lustvolles, leidenschaftliches Geschmatze und Geschlabber – unterbrochen von gelegentlicher Borstenpflege – hätte ich diesem kleinen Tierchen gar nicht zugetraut.
„Nicht so irre spannend“ fand ich STF 3028. Bei 200x zeigte sich A cremegelb-weiß und B blaugrau. Dann der Schwenk zu ST And. Der Stern präsentierte sich zwar relativ schwach und unauffällig, aber auch überraschend tiefrot.
Dann zu STF 3050. In der Übersicht und bei moderater Vergrößerung nur ein einziger Stern… Bei 200x sah ich es dann. Aha, das ist also eine sogenannte „8“! Der Doppelstern war nicht getrennt, sondern stand so dicht beisammen, dass die beiden Komponenten wie miteinander verschmolzen wirkten und sich berührten. Ist ja lustig. Problem war v.a. das Seeing und die Tatsache, dass der dicke Hauptspiegel nicht mit Auskühlen hinterherkam und die Schlieren der Sterne tanzen ließ. Nur in gelegentlichen, sehr ruhigen Momenten der Luftruhe war eine knappe Trennung erkennbar. Beide Sterne nahezu gleichhell und gelblich gefärbt.
Letztes Objekt war STF 3056. Bei 200x zeigte sich A gelborange und B irgendwie undefinierbar… Könnte graublau sein, aber auch leicht rötlich.
01:15 Uhr: Der Mond war längst aufgegangen und schummelte sich schal durch die Bäume des Nachbargrundstücks. Müde. Nase lief. Hals kratzte. Während sich der Igel noch immer am gammligen Fallobst sattfraß, baute ich mein Zeug ab und begab mich zur Nachtruhe.