Nachdem wir von unserem nachmittäglichen Ausflug nach Santo Domingo zurückgekehrt waren, hatten wir viel Zeit und Energie investiert, uns eine gut durchdachte Objektliste zusammenzuschustern, die in der fünften Nacht abgearbeitet werden sollte. Ich kann es nicht oft genug betonen – die fünfte klare Nacht IN FOLGE! Ich konnte mir mittlerweile gar kein anderes Wetter dort vorstellen, als eitel Sonnenschein. Zwar standen ein paar Wolkenbänke am bunten Südwesthorizont, die jedoch mehr dekorativen Charakter hatten. Nach Sonnenuntergang wurde es wieder merklich kühler, aber es ging weniger Wind als in den Malen zuvor und Norman nutzte die verbliebenen hellen Minuten, um die Justage seines Dobson zu kontrollieren. Zudem trug ich die Stühle hoch, die sich in der Vornacht als Ablage und Sitz mehr als bewährt hatten.
Zunächst war der Jupiter im Okular (O-Ton Norman: „Immer einen Blick wert!“), der je zwei Monde zu seinen Seiten versammelt hatte. Dann war ich erstmal allein, da der werte Herr Görlitz noch unter die Dusche springen wollte. Zwar begann ich mit dem Einstellen der ersten Galaxiengruppe, wollte aber nicht einfach im Alleingang die Liste abarbeiten, also wartete ich brav auf seine Rückkehr. Und die zögerte sich lange hinaus. Die Müdigkeit kam, und als ich auf dem warmen Mauerstreifen lag und träge den Sternschnuppen am kanarischen Himmel zusah, drusselte ich wieder mal ein. Ist natürlich eine nette Sache, das Einschlafen unterm prächtig gestirnten Firmament (das Zodiakallicht nahmen wir schon als selbstverständlich hin), aber wenn man noch was Wichtiges vorhatte, kritisch…Norman kehrte erst gegen 22:30 Uhr wieder auf die Wiese und schreckte mich hoch. Das Galaxiengehuddel, dem wir uns zuallererst widmeten, war im Kleinen Löwen und gut zu finden. NGC 3430, 3424 und 3413 bildeten ein zusammenhängendes Trio, das zusammen mit der westlich befindlichen Arp 270 im Gesichtsfeld des 26er Naglers zu sehen war. NGC 3430 und 3424 kamen am hellsten daher und zeigten eine ovale Form, waren jedoch unterschiedlich ausgerichtet. Die erstgenannte blieb ein ovaler, gleichmäßig auslaufender Nebel ohne zentrale Aufhellung, während 3424 etwas schmaler und balkenartig wirkte. Beim indirekten Sehen sah ich mir zwei stellare Aufhellungen entlang der Achse ein. NGC 3413 war wenig spektakulär und erschien als schwache, ovale, strukturlose Wolke.
Die bereits erwähnte Arp 270 besteht aus den beiden Galaxien NGC 3395 und 3396. Cooles Paar! Der kleinere Nebel (3395) präsentierte sich schmaler mit einem Achsenverhältnis von 1:3 und einem blickweise stellarem Kern. Zusammen mit dem größeren, breiteren (1:2) Nebel bildete sie eine 120°-gekrümmte Banane.
Irgendwie kam ich nach dem unfreiwilligen Nickerchen absolut nicht mehr in die Gänge; selbst ein zaghaftes Läufchen brachte keine Energie mehr zurück. Und weil Norman wieder irgendwas suchte und suchte und suchte und nicht fand, saß ich, von Halbträumen geplagt, auf dem Stuhl und ließ die Minuten an mir vorbeirauschen. Ich stand vor der Entscheidung, mich entweder kurz hinzulegen, oder aber mich mit einer gescheiten Tasse Kaffee in die Küche zu setzen und am Beobachtungsbericht von Nacht 4 zu tippen. Die Entscheidung fiel auf letzteres. Gegen halb 12 ließ ich den suchenden Norman am Teleskop zurück und verkrümelte mich nach drin.
Es war 00:45 Uhr, als ich, zunächst ordentlich gestärkt, wieder hinzustieß. Norman war auf der Suche nach irgendetwas und ich latschte unproduktiv durch die Gegend. Der Himmel wirkte verdächtig schlecht, als wäre ein hauchdünner Schleier unterwegs, der alles dezent eintrübte. Wonach zur Hölle sucht er denn schon wieder? Kann ich vielleicht irgendwie helfen?
Es ging um UGCA 320. (Norman: wieder so eine superdünne Galaxie; angeblich gleißende 12m5, „Hust!“) Er stellte mir grob das Sternfeld ein, wo er die Galaxie vermutete. Ich blickte durchs Okular. „… Hmm… … Joah. Da ist doch was … Joah… … Ganz eindeutig.“ Dummerweise verloren wir das verwirrende Sternfeld aus den Augen, als ich ihm die Position erklären wollte, und es dauerte, bis wir es wiederfanden. [Anmerkung Norman: Anne macht mir Angst, die sieht frisch geblendet auf Anhieb schwaches Gefizzel ohne Positionskenntnis, wohingegen ich genau weiß was ich suche und wohin ich schau und im Trüben fische … Ach ja - ich darf an dieser Stelle eine Anekdote einer anderen Nacht in der Heimat einbringen: O-Ton Anne zum Spiralarm von M 81 …“ ja der ist ganz deutlich da!!“… Und dann nahm sie irgendwann ihre getönte Brille ab, die sie versehentlich aufgelassen hatte … ] Dann war die Galaxie allerdings eindeutig eindeutig (Norman: „sogar für mich!“), wenn auch schwach, und Norman wunderte sich über die utopischen Helligkeitsangaben. Also, superthin war die nicht, sondern ein vergleichsweise breiter, diffuser Nebelbarren mit homogener Fläche und ohne irgendeine Aufhellung. Wir versuchten, den benachbarten Streak PGC 45006 zu erwischen (den der übermotivierte Norman sich anhand eines Poss-Bildchens mal wieder selbst in die Karte eingezeichnet hatte…), doch mit 14,6 mag war der diffuse Wisch nicht sicher machbar.
Der Wind nervte, ließ die Seiten flattern und drückte das Teleskop sogar aus seiner Haltevorrichtung heraus. Zum Glück hielt die Justierung der Kollision stand. Norman verschwand lange im Haus, um sich umzuziehen und kehrte mit Keksen und der Feststellung zurück: „Im Klamottensuchen bin ich wie im Galaxiensuchen – Ich find nix.“
Unser Maskottchen, Omega Centauri, wurde wieder einmal beehrt; ebenso der gute alte Mars (O-Ton Anne: „Findstn oder brauchst du ‘ne Detailkarte?“ – Norman: berechtigte Frage! ;-) ). Unsere Motivation war nicht die allergrößte. Nacht 5 – der kanarische Durchhänger. Ich wollte mich mit Sternhaufen über Wasser halten, doch lediglich der Globular NGC 5986 verleitete mich zu einem positiven Vermerk: „Cool!“ Das eigentlich eher unspektakuläre Objekt glänzte durch einen markant abgesetzten Einzelstern am Ostrand. Ansonsten sprangen über die gesamte Fläche hinweg etliche Mitglieder heraus, doch bis ins Zentrum hinein aufgelöst war er nicht.
Rings um Sigma Lupi war der Haufen Slootegraf 55 eingezeichnet, was mich neugierig machte, aber auf ganzer Linie enttäuschte. Einzige Notiz hierzu: „So ein Schwachsinn!!“ Es folgten weitere Sterngruppen im Wolf, die allesamt die totalen Rohrkrepierer waren. Im Westen stiegen Wolken auf und es wehte beständig ein kühler, frischer Wind. Nicht die besten Bedingungen diesmal; auch das SQM-L äußerte sich mit 21,58 als sehr konservativ. 02:20 Uhr zeigte der Chronometer, und Norman fluchte beim nächsten Aufsuchen: „Was hatn das mit Herkules zu tun?!“ Er wollte Seyfert’s Sextett anpeilen, das wir auch sahen, doch die schwachen Nebelchen wurden schnell von den Wolkenschleiern gefressen, die gerade (fürs Auge unsichtbar) in die Region hineinzogen. „Naja…“
Wir fanden beide, dass mal ordentlich auszuschlafen bei diesen Bedingungen eine willkommene Abwechslung zum Durchmachen war. So strichen wir bereits um 03:00 Uhr die Segel und wachten wie die Nächte zuvor gegen 10 Uhr auf und saßen ca. 12 Uhr Mittag beim Frühstück, nur dieses Mal ausgeruhter. Der Schlaf sollte sich auszahlen, wie die kommende Nacht zeigen würde…
Ein Beobachtungsbericht von AKE mit Ergänzungen von Norman Görlitz
Magdeburg, 10.05.2014